Sonntag, 19. Dezember 2004

Wolfgang Klafki 1927

Wolfgang Klafki ist einer der bekanntesten deutschen Erziehungswissenschaftler der Gegenwart.
Seine Schulzeit war durch die Machtergreifung des Nationalsozialismus geprägt. Er entwickelte sich als besonders bildungsinteressierter Junge und musste in der Schlussphase des Krieges am Volkssturm teilnehmen. Als Kriegsinvalide begann er nach dem Kriege eine Volksschullehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule in Hannover und arbeitete von 1948 bis 1952 als reformpädagogisch engagierter Volksschullehrer in Lindhorst und Lüdersfeld bei Hannover.
Später studierte er in Göttingen bei Erich Weniger und in Bonn bei Theodor Litt. Er arbeitete als wissenschaftlicher Assistent in Münster und Hannover. Seit 1963 lehrte er als Universitätsprofessor an der Philipps-Universität in Marburg bis zu seiner Emeritierung.
Maßgeblicher Einfluss vor allem auf die Bildungsreformdebatte zu Beginn der 70er Jahre und auf viele weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die seine Theorien rezipierten und eigene darauf basierend entwickelten, u.a. auf Martin Wagenschein (Physikdidaktik) und einen großen Kreis an Doktorandinnen und Doktoranden (weit über 60), die in unterschiedlichen praktischen pädagogischen Arbeitsfeldern und Disziplinen der Erziehungswissenschaft wirken. Obgleich Klafki selber keine Schule gründen will, schafft er durch die alljährlichen Winterberger Treffen seiner ehemaligen Doktorandinnen und Doktoranden einen Diskursrahmen für seine vielfältigen konzeptionellen Ansätze. Klafki zeichnet sich persönlich durch hohe Gradlinigkeit, Verständnisoffenheit, pädagogisch reformerisches Engagement und Differenziertheit im Denken aus.
Gemeinsam mit Wolfgang Kramp (1927-1983) hat er die bildungstheoretische Didaktik maßgeblich geprägt. Klafki leitete ab 1972 das Marburger Grundschulprojekt, in dem innovative Grundschulkonzepte und komplexe Unterrichtsprojekte für den Sachunterricht entwickelt wurden.

Beiträge zur Didaktik
Klafkis Beitrag zur Didaktik ist trotz unterschiedlicher Strömungen und Ansätze nach wie vor von großer Bedeutung.
Kategoriale Bildung
Klafki hat den Begriff "kategoriale Bildung" geprägt, der den Widerspruch von formalen und materialen Bildungstheorien aufheben soll. Die Bildungstheorie der 60er Jahre wird zur "kritisch-konstruktiven Erziehungswissenschaft", indem sie in Auseinandersetzung mit der kritischen Theorie erweitert wird
um einen expliziten Gesellschaftsbezug und
durch die methodologische Einbeziehung von Empirie und Ideologiekritik neben der klassischen Hermeneutik.
Neubestimmung von Allgemeinbildung
In Anknüpfung an Jan Amos Komenský (Johannes Comenius) ("omnes, omnia, omnino") und die Aufklärung ist Bildung für Klafki Allgemeinbildung in einem dreifachen Sinn:
für alle: umfasst die Forderung nach Chancengleichheit
allseitig: Ziel ist eine vielseitige Interessen- und Kompetenzentwicklung. Das führt zu einer Erweiterung des Lernbegriffs, der einerseits kognitives, soziales und emotionales Lernen einschließt und dieses nicht nur ergebnis- und produktorientiert, sondern auch prozessorientiert versteht,
der andererseits sich nicht nur auf den klassischen Bildungskanon beschränkt, sondern auch moderne Themen im Interesse von Kindern und Jugendlichen aufgreift. Unterricht soll damit die vergangene und gegenwärtige Kultur weitergeben und die zukünftige vorwegnehmen.
durch das Allgemeine: Klafki versteht didaktisch unter dem Allgemeinen "epochaltypische Schlüsselprobleme unserer kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz", die anhand der Friedensfrage, der Umweltfrage, der Frage nach gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, der Frage nach der Interkulturalität, der Frage nach neuen Medien und der Frage nach der Ich-Du-Beziehung im Unterricht behandelt werden.
Als Kompetenzmodell ist dieses Konzept in deutsche Lehrpläne eingegangen.
Besonders bekannt wurde er durch die Publikation der mehrbändigen Schriften "Funkkolleg Erziehungswissenschaft". Bedeutend für die Pädagogik ist seine Theorie der kategorialen Bildung wie auch seine bildungstheoretischen Schriften.
Sein Schaffen ist aber viel breiter, so hat er richtungweisende Schriften zur Gesamtschule und Arbeitslehre, zur Reform der Grundschule und zur Curriculumreform verfasst. Er ist weiterhin als bildungspolitischer Berater und Betreuer vieler Doktorarbeiten tätig.
Klafkis didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung hat viele Lehrergenerationen beeinflusst. In späteren Jahren fokussierte er seine bildungstheoretischen Gedanken auf die zentralen Schlüsselprobleme wie Frieden, Umwelt, Technikfolgen, Menschenrechte.
Didaktische Analyse
In der didaktischen Analyse wird Unterrichtsinhalt darauf geprüft, ob er bildungstheoretisch zu rechtfertigen ist. Diese Analyse erfolgt in fünf Dimensionen:
Exemplarische Bedeutung: Welchen größeren Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt oder erschließt der Inhalt? (Diese Dimension wendet sich gegen einen enzyklopädischen Lehrplan)
Gegenwartsbedeutung: Welche Bedeutung hat der Inhalt bereits im geistigen Leben der Kinder, welche Bedeutung sollte er darin haben?
Zukunftsbedeutung: Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder? (Vergleiche Hartmut von Hentig: Kinder "stark" machen für eine ungewisse Zukunft)
Struktur des Inhalts: Welches ist die Struktur des (durch die vorigen Fragen in die spezifisch pädagogische Sicht gerückten) Inhalts? (Das wendet sich gegen Theorie und Praxis der didaktischen Reduktion, in der die Struktur der Fachwissenschaft erhalten bleibt, nur eben altersgemäß "reduziert")
Zugänglichkeit: Welches sind die besonderen Ereignisse, Situationen, Versuche, in oder an denen die Struktur des Inhalts den Kindern interessant, fragwürdig, begreiflich, anschaulich, eben zugänglich werden kann?
Bildungstheorie
Klafkis zentrales Werk ist es, eine geisteswissenschaftlich beeinflusste und gesellschaftstheoretisch fundierte Bildungstheorie entwickelt zu haben, die sich mit dem Begriff der kategorialen Bildung von vorher entweder material oder funktional vereinseitigten Konzepten abgrenzte. Später konkretisierte er seine Bildungstheorie als ein Konzept, in dem die epochaltypischen Schlüsselprobleme von zentraler Bedeutung sind.
Wirkung und Einschätzung
Klafki hat als Bildungsreformer und Wissenschaftler nachhaltig die Bildungspolitik und Theoriebildung beeinflusst. Die didaktische Analyse hat sich zur vorherrschenden Richtschnur in der Ausbildung von Lehramtsanwärtern seit Ende der 50er Jahre herausgebildet. Bei schematischer Rezeption ist sie vielfach zu einem oberflächlichen Ritual reduziert und hat ihr kritisches Potential vielfach eingebüßt. Klafkis Konzept zielte auf größere Zusammenhänge, auf die Analyse von Bildungsplänen, den Unterricht eines ganzen Jahres, und ist nicht als Leitfaden für die Planung jeder einzelnen Stunde intendiert ("und wo kam die Zukunftsbedeutung vor ?") und sollte auch nicht als Modell der Unterrichtsplanung missverstanden werden. Seine wesentliche Leistung ist es, dem didaktischen Denken Kategorien und Kriterien für eine gesellschaftlich verantwortete Praxis bereit zu stellen.

Schriften
Wolfgang Klafki hat weit über 400 Schriften veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt worden sind.
Klafki, Wolfgang: Kritisch-konstruktive Pädagogik. Herkunft und Zukunft In: Eierdanz, Jürgen/Kremer, Armin (Hg.): Weder erwartet noch gewollt – Kritische Erziehungswissenschaft und Pädagogik in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des kalten Krieges. Baltmannsweiler 2000, 152-178
Klafki, W.: Allgemeinbildung in der Grundschule und der Bildungsauftrag des Sachunterrichts. In: Lauterbach, R. (Hg.): Brennpunkte des Sachunterrichts. Kiel 1992, 11-31
KLAFKI, WOLFGANG u.a.: Schulnahe Curriculumentwicklung und Handlungsforschung im Marburger Grundschulprojekt. Weinheim 1982
Klafki, Wolfgang, Schlüsselprobleme, epochaltypische. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Lexikon Sachunterricht. Baltmannsweiler: Schneider 1997
KLAFKI, WOLFGANG/OTTO, GUNTER/SCHULZ, WOLFGANG: Didaktik und Praxis. Weinheim 1979 (2)
KLAFKI, WOLFGANG: Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. Weinheim 1976
KLAFKI, WOLFGANG: Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung. Weinheim 1964 (4)
KLAFKI, WOLFGANG u.a.: Funkkolleg Erziehungswissenschaft, 3 Bd., Weinheim 1971
Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung. In: Die deutsche Schule 1958, H. 10, S. 450-471
KLAFKI, WOLFGANG: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim 1985
Klafki, Wolfgang: Pestalozzis „Stanser Brief“. Beltz Weinheim 1969 (7)

Weblinks
http://www2.uni-jena.de/didaktik/did_06/klafki.htm

Theodor W. Adorno 1903-1969

Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno war ein deutscher Soziologe, Philosoph, Musikwissenschaftler und Komponist.

Leben und Werk
Theodor W. Adorno war bereits als junger Musikkritiker und noch als ordinierter Soziologe vor allem ein philosophischer Kopf. Als Komponist vermochte er aus dem Schatten seines Lehrers Alban Berg nicht herauszutreten. Die Titulierung Sozialphilosoph hebt im Falle Adornos auf den gesellschaftskritischen Schwerpunkt seines Philosophierens ab, dem eine nach 1945 intellektuell führende Rolle im Frankfurter Institut für Sozialforschung entsprach.
Die vorstehende Kurzcharakteristik hat einen Beleg in folgender Selbstbeschreibung Adornos (1965 gegenüber Max Horkheimer). Danach sei er,nach Herkunft und früher Entwicklung, Künstler, Musiker, doch beseelt von einem Drang zur Rechenschaft über die Kunst und ihre Möglichkeit heute, in dem auch Objektives sich anmelden wollte, die Ahnung von der Unzulänglichkeit naiv ästhetischen Verhaltens angesichts der gesellschaftlichen Tendenz.
Siehe auch: Portal Philosophie, Frankfurter Schule, Kritische Theorie.
Frühe Frankfurter Jahre (1903-21)
Die Eltern des Einzelkinds Theodor ("Teddie") waren der Weingroßhändler Oscar Alexander Wiesengrund (1870-1946, jüdischer Abstammung, zum Protestantismus übergetreten) und die Sängerin (und Katholikin) Maria Barbara, geb. Calvelli-Adorno (1865-1952) - daher der später gewählte Hauptname Adorno ("Wiesengrund" mit "W." abgekürzt). Im Elternhaus wohnte auch deren ebenso musikalische Schwester Agathe. Vor allem am vierhändigen Klavierspiel beteiligte sich der Junge von klein auf mit Leidenschaft. Ein Übriges zum Glück der Kindheit tat die alljährliche "Sommerfrische" der Familie in Amorbach (Odenwald). Am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium wusste das Wunderkind zu glänzen: Bereits mit 17 Jahren machte er das Abitur als "bester von allen". Neben der Schule hatte er (bei Bernhard Sekles) Privatunterricht in Komposition genommen (1923 Aufführung eines eigenen Streichquartetts) und sich an vielen Samstagnachmittagen gemeinsam mit dem 14 Jahre älteren Freund Siegfried Kracauer in eine wissenssoziologische Lektüre von Kants "Kritik der reinen Vernunft" vertieft. "Nicht im leisesten übertreibe ich, wenn ich sage, dass ich dieser Lektüre mehr verdanke als meinen akademischen Lehrern." An der ebenfalls heimischen (später nach Goethe benannten) Universität (http://www.innovationsreport.de/html/profile/profil-366.html) belegte er ab 1921 Philosophie, Musikwissenschaft, Psychologie und Soziologie. Das Studium absolvierte der Frühreife zügig: Ende 1924 schloss er es mit einer Dissertation über Edmund Husserl "summa cum laude" ab. Inzwischen hatte er seine wichtigsten intellektuellen Weggefährten kennengelernt: Max Horkheimer und Walter Benjamin.
Wiener Intermezzo (1925-26)
Während der Frankfurter Studienzeit hatte Adorno sich mit zahlreichen Artikeln als Musikkritiker versucht. Hierin sah er seine künftige Profession. Dieses Ziel vor Augen, nutzte er die Beziehung zu Alban Berg, mit dessen Oper "Wozzeck" er 1924 bekannt geworden war, zu einem musikalischen "Aufbaustudium" an dessen Wirkungsstätte (ab Januar 1925). Auch zu den beiden anderen Größen der Wiener Schule nahm er Tuchfühlung auf: zu Anton von Webern und Arnold Schönberg. Vor allem Schönbergs revolutionäre Atonalität regte den 22-Jährigen zu philosophischen Betrachtungen über die "Neue Musik" an, die bei deren Protagonisten allerdings nicht verfingen. Diese Enttäuschung brachte es mit sich, dass er nach und nach seine Ambitionen in Sachen Musikkritik zugunsten einer Laufbahn als akademischer Lehrer und Sozialforscher zurückschraubte. (Von 1928 bis 1931 war er immerhin noch leitender Redakteur der Avantgarde-Zeitschrift "Anbruch".) Ohnehin war für seine Konzert- und Opernbesprechungen von früh an der philosophische Anspruch charakteristisch. - Außerdem stand die Wiener Zeit unter dem Eindruck von Karl Kraus, dessen Vorlesungen er zusammen mit Alban Berg besuchte, und von Georg Lukács, dessen "Theorie des Romans" bereits den Abiturienten begeistert hatte.
Mittlere Frankfurter Jahre (1926-33)
Zurück aus Wien, blieb Adorno zunächst ein weiterer Misserfolg nicht erspart: Eine umfangreiche philosophisch-psychologische Abhandlung, gegen die der Doktorvater Hans Cornelius und auch dessen Assistent Max Horkheimer Bedenken hatten, zog er daraufhin Anfang 1928 als Habilitationsschrift zurück. Erst drei Jahre später sollte er die (1933 dann wieder entzogene) "Venia legendi" mit dem Manuskript "Kierkegaard - Konstruktion des Ästhetischen" erhalten, das er bei Paul Tillich einreichte. Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent (Mai 1931) handelte von der "Aktualität der Philosophie"; sie galt ihm zeitlebens als programmatisch. Er stellte darin erstmals ausdrücklich den Begriff der Totalität in Frage, was auf seine berühmt gewordene -gegen Hegel gewendete- Formel "Das Ganze ist das Unwahre" (aus den "Minima Moralia") vorausdeutete. Zu seinen ersten Lehrveranstaltungen gehörte dann ein Seminar über Benjamins Abhandlung "Ursprung des deutschen Trauerspiels". 1932 war der Aufsatz "Zur gesellschaftlichen Lage der Musik" sein Beitrag zum ersten Heft der "Zeitschrift für Sozialforschung", die Horkheimer herausgab; in dessen "Institut" sollte er jedoch erst 1938 eintreten.
Pendler zwischen Berlin und Oxford (1934-37)
Seit den späten Zwanziger Jahren schon hatte Adorno während mehrerer Berlin-Aufenthalte außer zu Benjamin engeren Kontakt zu Ernst Bloch gepflegt, dessen erstes Hauptwerk "Geist der Utopie" er bereits 1921 kennengelernt hatte, und später heftig kritisierte. Noch anziehender war ihm die deutsche Hauptstadt wegen der promovierten Chemikerin Margarete ("Gretel") Karplus (1902-1993) geworden, die er 1937 in London heiraten sollte. 1934 emigrierte er nach England, um sich in Oxford nochmals zu habilitieren [und wohl vor allem um vor den Nazis aus Deutschland zu fliehen...]. Dazu kam es zwar nicht mehr, aber als Postgraduierter betrieb er erstmals ein eingehendes Studium der Philosophie Hegels. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, die Sommerferien Jahr für Jahr bei seiner Verlobten in Deutschland zu verbringen. 1936 erschien in der "Zeitschrift" einer seiner umstrittensten Arbeiten überhaupt: "Über Jazz". Es handelte sich dabei jedoch weniger um eine Auseinandersetzung mit dieser besonderen Musikrichtung als um eine erste grundsätzliche Polemik gegen die gerade aufkommende Unterhaltungs- und Kulturindustrie. Der in dieser Zeit intensive briefliche Kontakt mit dem im amerikanischen Exil lebenden Horkheimer mündete in dessen Angebot einer existenzsichernden wissenschaftlichen Tätigkeit jenseits des Atlantiks.
Emigrant in den USA (1938-49)
Nach einem ersten New-York-Besuch 1937 entschloss er sich zur Übersiedlung. In Brüssel nahm er Abschied von den Eltern, die 1939 nachkamen, und in San Remo von Walter Benjamin, der in Europa zurückblieb, mit dem der Gedankenaustausch anschließend jedoch in brieflicher Form kulminierte. Kurz nach der Ankunft in New York nahm ihn Horkheimers "Institut" als offizielles Mitglied auf. Die erste Arbeit bestand in der Leitung eines Hörfunk-Forschungsunternehmens (Radio Research Project) zusammen mit dem österreichischen Soziologen Paul Lazarsfeld. Schon bald verlagerte sich die Aufmerksamkeit jedoch auf die direkte Zusammenarbeit mit Horkheimer, die 1941 mit dem gemeinsamen Umzug nach Los Angeles zum Ausdruck kam und 1944 zur ersten Fassung der Essaysammlung "Dialektik der Aufklärung" führte, des Hauptwerks der Kritischen Theorie. Sozusagen den gleichzeitigen Holocaust vor Augen, beginnt die Schrift mit den Worten:
Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.
Ab 1945 betätigte er sich nicht mehr als Komponist. Damit entsprach er auf eigene Weise seinem so harten wie berühmten Wort: "Nach Auschwitz noch ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch." In Sachen Musik erhielt er indessen den ehrenvollen Auftrag von Thomas Mann, ihn bei seinem Roman über "das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn" ("Doktor Faustus") fachlich zu beraten. Außerdem arbeitete er in den 40er Jahren an seiner "Philosophie der neuen Musik" und zusammen mit Hanns Eisler an dessen "Komposition für den Film". Nicht unerwähnt bleiben darf schließlich die von mehreren Forschungsinstituten durchgeführte Untersuchung des -vor allem antisemitischen- Vorurteils ("Studies in Prejudice"), die unter anderem durch indirekte Fragen (F-Skala) an die Versuchspersonen deren "autoritären Charakter" aufdeckte. Adornos Beitrag bestand in "qualitativen Interpretationen".
Späte Frankfurter Jahre (1949-69)
Nach dem Krieg zögerte der von Heimweh Geplagte die Rückkehr nach Deutschland nicht allzu lange hinaus. In Frankfurt bot sich ihm dank Horkheimers Einfluss die Möglichkeit einer außerplanmäßigen Professur, die er 1949/50 wahrnahm und womit sich nach langer Unterbrechung eine akademische Laufbahn fortsetzte, die 1956/57 in der Stellung als zweifacher Ordinarius (Philosophie und Soziologie) gipfelte. Im der Universität angeschlossenen Institut wurde Adornos Führungsposition immer eindeutiger, da sich der acht Jahre ältere Horkheimer mehr und mehr zurückzog und dem Jüngeren schließlich 1958/59 das alleinige Direktorat überließ. Zu einem höheren Bekanntheitsgrad im Nachkriegsdeutschland trug zunächst die Aphorismensammlung "Minima Moralia" bei, die 1951 in dem soeben gegründeten Verlag von Peter Suhrkamp veröffentlicht wurde und die "traurige Wissenschaft" ausführte, die unter dem Eindruck der "drei Höllen: Faschismus, Stalinismus und Kulturindustrie" (Rüdiger Safranski) keine Alternative mehr zuzulassen schien: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Trotz dieses pessimistischen Befunds war das Pensum enorm, das Adorno sich auflud und zu einer herausragenden intellektuellen Gründergestalt der westdeutschen Republik werden ließ, nachdem 1953 ein letzter Versuch, ihn längerfristig an Forschungsvorhaben in den USA zu binden, gescheitert war.
Letzter Akt (1967-69)
1966 kam es gegen die Große Koalition von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer "Außerparlamentarischen Opposition (APO)", die vor allem gegen die von der neuen Regierung geplanten Notstandsgesetze zu Felde zog. Auch Adorno gehörte zu den Kritikern dieser Politik (1968 Teilnahme an Veranstaltung des Aktionskomitees "Demokratie im Notstand"). Als am 2. Juni 1967 bei einer Berliner Demonstration gegen den Schah-Besuch der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, begann sich die linksgerichtete APO zu radikalisieren, und vor allem an den Universitäten probte man den Aufstand. Es waren nicht zuletzt Schüler Adornos, die den Geist der Revolte repräsentierten und derart "praktische" Konsequenzen aus der "Kritischen Theorie" zogen. Die Köpfe der Frankfurter Schule waren jedoch bei aller Sympathie nicht bereit, den Aktivismus zu unterstützen. So wurde gerade auch Adorno zur Zielscheibe studentischer Aktionen. Umgekehrt sah er sich Vorwürfen von rechts ausgesetzt, zu den geistigen Urhebern linker Gewalt zu gehören. 1969 nahmen die Störungen im Hörsaal in einem Maße zu, dass Adorno seine Vorlesung einstellte. Als im Januar einige Studenten aufdringlich wurden und versuchten, in sein Institut einzudringen, um über die politische Situation zu diskutieren, rief er, der er sich immer gegen den Polizei- und Überwachungsstaat gestellt hatte, schlicht die Polizei, nachdem eine Studentin ihre nackten Brüste gezeigt hatte!
Über die letzten Tage des "mit dem Rücken zur Wand" Stehenden heißt es in der 2003 erschienenen Adorno-Biographie von (Stefan Müller-Doohm).
Den Zustand, in dem sich Adorno im Frühsommer 1969 befand, bezeichnete er selbst als desolat. Ohnehin schon extrem erschöpft, tat er mehr, als er verkraften konnte. Zu der üblichen "totalen Überarbeitung" kam die nicht enden wollende Qual sich im Kreise drehender Diskussionen und Auseinandersetzungen mit den radikalen Studenten, die sich ihn, die Koryphäe der Kritischen Theorie, nicht zuletzt aus Gründen der Medienwirksamkeit ausgesucht hatten. Adorno musste nicht nur Feindseligkeit und offenen Hass über sich ergehen lassen, wobei er überzeugt war, dass sie sich gegen ihn als Theoretiker richteten. Vielmehr verfolgte ihn auch der Alptraum, dass die politische Gesamtsituation von heute und morgen in Totalitarismus umschlagen könne. In seinem letzten, zunächst handschriftlich verfassten Brief, den er am 26. Juli an [Herbert] Marcuse schrieb, dessen maschinenschriftliche Fassung diesen jedoch erst am 6. August erreichte, sprach er von sich selbst als "einem schwer ramponierten Teddie".
In dieser desolaten Verfassung fuhren Adorno und seine Frau in die Schweiz, wo er bei ausgedehnten Spaziergängen stets den Ausgleich zu finden pflegte, dessen er nun mehr denn je bedurfte. Am Dienstag, dem 22. Juli, fuhr das Ehepaar in Richtung Zermatt, um im Hotel "Bristol" die Ferienwochen zu verbringen. Wenige Tage nach der Ankunft im bekannten, 1600 Meter hoch gelegenen Schweizer Urlaubsort im Kanton Wallis am Fuße des Matterhorn unternahm Adorno am 5. August mit Gretel, trotz eindringlicher Ermahnungen seines Hausarztes und Herzspezialisten Doktor Sprado, alle körperlichen Anstrengungen zu vermeiden, einen Ausflug auf einen 3000 Meter hoch gelegenen Gipfel, der mit der Seilbahn erreichbar war. Auf der Höhe setzten erstmals Herzbeschwerden ein, die ihn zur Rückkehr in den Ort zwangen. Noch am selben Tag fuhren sie dann in die talwärts gelegene, etwa 30 km entfernte Stadt Visp. Adornos Bergstiefel hatten ein Loch, das er reparieren lassen wollte. Im Schuhladen stellten sich erneut Herzbeschwerden ein. Aus diesem Grund wurde er zur Sicherheit in die Klinik der Kleinstadt gebracht. Gretel Adorno fuhr gegen Abend zurück ins Hotel. Als sie am nächsten Tag, am 6. August, ihren Mann im Krankenhaus St. Maria mit Lesestoff versorgen wollte, musste sie miterleben, wie er am Vormittag gegen 11.20 Uhr plötzlich einem Herzinfarkt erlag. Er wäre am 11. September 66 Jahre alt geworden.

Wilhelm von Humboldt 1767-1835

Wilhelm Freiherr von Humboldt war ein deutscher Gelehrter und Staatsmann und Begründer der Humboldt-Universität Berlin. Neben seiner idealistischen Bildungskonzeption steht heute vor allem sein Nachdenken über die Sprache im Mittelpunkt des Interesses. Sein jüngerer Bruder war der Naturforscher und Entdecker Alexander von Humboldt.

Leben
Wilhelm von Humboldts aus Schlesien stammender Vater war preußischer Offizier und war wegen seiner Verdienste im Siebenjährigen Krieg zum Kammerherren ernannt worden. Er heiratete 1766 Maria Elizabeth von Colomb, Witwe des Freiherren von Hollwede. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, Wilhelm und Alexander (* 1769 in Berlin).
Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand Freiherr von Humboldt wurde am 22. Juni 1767 in Potsdam geboren. 1779 starb sein Vater völlig unerwartet. Zusammen mit seinem Bruder wurde er von Privatlehrern erzogen, u. a. Joachim Heinrich Campe. Er erhielt eine Ausbildung in Naturwissenschaften, der griechischen, lateinischen und französischen Sprache und eine Einführung in die Staatswissenschaften und die Philosophie und las die Hauptschriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. In Berlin frequentierte er den Salon von Markus und Henriette Herz; durch sie wurde er mit Brendel Veit (der nachmaligen Dorothea Schlegel, der Ehefrau von Friedrich Schlegel), den Schwestern von Lengefeld (Charlotte heiratete 1790 Friedrich Schiller) und seiner späteren Frau Caroline von Dacheröden bekannt.
1787 immatrikulierten er und sein Bruder Alexander sich für ein Semester an der Universität in Frankfurt (Oder). 1788 gingen sie für drei Semester nach Göttingen. Wilhelm von Humboldt studierte dort klassische Philologie und Naturwissenschaften (bei Georg Christoph Lichtenberg), setzte er sich mit Immanuel Kant auseinander und schloss Freundschaft mit August Wilhelm Schlegel und Friedrich Heinrich Jacobi.
Im Sommer 1789 trat er gemeinsam mit seinem ehemaligen Hauslehrer Joachim Heinrich Campe eine Bildungsreise an, die sie ins Rheinland, die Schweiz und im August, drei Wochen nach dem Sturm auf die Bastille, in das revolutionäre Paris führte. Dieses unmittelbare Miterleben der Französischen Revolution als Augenzeuge ihrer Anfangsphase beeinflusste Humboldt nachhaltig und war auch der entscheidende Grundstein für seine Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“.
Im Januar 1790 trat Wilhelm von Humboldt in den preußischen Staatsdienst ein und wurde noch im selben Jahr Legationsrat und Referendar. Auf eigenen Wunsch wurde er aber schon im Mai 1791 aus dem Dienst entlassen. Im Juni heiratete er Caroline von Dacheröden, die Tochter eines preußischen Kammergerichtsrates. Die folgenden Jahre lebte er auf den Familiengütern seiner Frau in Thüringen. Dort trat er in nähere Beziehung zu Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Im Juni 1794 zog er nach Jena um. Er betätigte sich als kritischer Berater und Mitarbeiter von Goethe und Schiller. Mit seinem Bruder Alexander von Humboldt und Goethe hörte er Vorlesungen in vergleichender Anatomie.
Ab November 1797 befand sich Humboldt mit seiner Familie in Paris. Hier wollte er seine Studien fortführen, aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich verfolgen. Er unternahm von hier aus zwei längere Reisen: Von November 1799 bis April 1800 nach Spanien und im Frühjahr 1801 in das Baskenland. Entdeckung und Studium des Baskischen markierten für ihn den Durchbruch zu einer eigenen Sprachauffassung und Sprachwissenschaft, in der er eine Lebensaufgabe fand. 1802 - 1808 vertrat Humboldt Preußen beim Heiligen Stuhl in Rom. In dieser Zeit beschäftigte er sich neben dem Baskischen auch mit amerikanischen Indianersprachen und mit Übersetzungen aus dem Griechischen. Nach dem Zusammenbruch Preußens kehrte er nach Deutschland zurück und wurde im Februar 1809 Sektionschef für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern in Berlin. In seiner Amtszeit entstand ein neugegliedertes Bildungssystem, das allen Schichten mehr Chancen des Bildungserwerbs sichern sollte. Die Eröffnung der Friedrich-Wilhelm-Universität im Oktober 1810 erlebte Humboldt allerdings nicht mehr in Berlin. Nach Auseinandersetzungen verließ er sein Amt im Sommer und ging als preußischer Gesandter 1811 nach Wien. Er bewirkte maßgeblich den Beitritt Österreichs zur Koalition gegen Napoleon. An den Verhandlungen zum ersten und zweiten Pariser Friedensvertrag und auf dem Wiener Kongress (wo er sich erfolgreich für die jüdischen Bürgerrechte, aber ohne Erfolg für eine liberale Verfassung für den Deutschen Bund einsetzte) nahm er als zweiter Bevollmächtigter Preußens teil. Den Entwurf für die Bundesverfassung hatte er zusammen mit Karl August Fürst von Hardenberg und Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein 1814 entwickelt. Von 1815 bis 1819 wurde er nacheinander preußischer Bevollmächtigter auf dem Bundestag in Frankfurt am Main, Vorsitzender einer Steuerreform-Kommission und preußischer Gesandter in London. 1819 kehrte er als Minister für ständische Angelegenheiten nach Berlin zurück. Wegen seines Widerstandes gegen die Karlsbader Beschlüsse und seines Versuches, eine liberale Verfassung für Preußen durchzusetzen, wurde er Ende 1819 aller Ämter enthoben.
Im Alter erkrankte Humboldt an der Parkinson-Krankheit. Bis zu seinem Tod am 8. April 1835 widmete sich Wilhelm vom Humboldt seinen wissenschaftlichen Studien in der Ruhe des Familienbesitzes in Tegel.

Werk
Humboldt war ein Hauptvertreter des Humanismus und des Gedankens der Humanität zur Zeit des deutschen Idealismus. Vergleichbar mit Jan Amos Komenský (Johannes Comenius) sind die Grundprinzipien seiner Bildungstheorie: Universalität, Individualität und Totalität.
Mit seiner Schrift "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen" gilt er als führender Vertreter des Frühliberalismus.
Humboldts Schriften zur Sprache wurden zunächst vor allem innerhalb der Sprachwissenschaft rezipiert. Ihre volle philosophische Tragweite wurde erst im 20. Jahrhundert erkannt. Humboldts Sprachdenken ist Selbstreflexion, ein Nachdenken des sprechenden Menschen über sein Sprechen und Denken. Auch wenn er die "Erzeugung menschlicher Geisteskraft" durch die Geschichte und anhand zahlreicher Sprachen verfolgt, bleibt sein Ausgangspunkt die wirkliche individuelle Rede, der Wunsch des Subjekts, sich und anderen sich selbst und die Welt verständlich zu machen. Sprache ist nichts Sekundäres. Weder er selbst noch die Welt ist dem Menschen unabhängig von der Sprache gegeben. Sprechen heißt nicht einfach einer Regel folgen, sondern sich die Sprache (und die Welt) auf individuelle Weise aneignen und sie durch Ihren Gebrauch verändern.

Schriften
Sokrates und Platon über die Gottheit (1787-1790)
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1791)
Über den Geschlechtsunterschied (1794)
Über männliche und weibliche Form (1795)
Plan einer vergleichenden Anthropologie (1797)
Das achtzehnte Jahrhundert (1797)
Ästhetische Versuche I. - Über Goethe's Hermann und Dorothea (1799)
Latium und Hellas (1806)
Geschichte des Verfalls und Untergangs der griechischen Freistaaten (1807-1808)
Pindars "Olympische Oden" (Übersetzung aus dem Griechischen) (1816)
Aischylos' "Agamemnon" (Übersetzung aus dem Griechischen) (1816)
Über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung (1820)
Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers (1821)
Über die Entstehung der grammatischen Formen und ihren Einfluss auf die Ideenentwicklung (1822)
Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau (1824)
Bhagavad-Gitá (1826)
Über den Dualis (1827)
Über die Sprache der Südseeinseln (1828)
Über Schiller und den Gang seiner Geistesentwicklung (1830)
Rezension von Goethes Zweitem römischem Aufenthalt (1830)
Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und seinen Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1836)
Werkausgaben:
Gesammelte Schriften. Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Albert Leitzmann, Berlin 1903-1936, Nachdruck 1968
Werke in fünf Bänden. Studienausgabe, Darmstadt 2002
Einzelausgaben:
"Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts", Paderborn 1998 (mit ausführlicher Einleitung)
"Über die Sprache. Reden vor der Akademie", Tübingen 1994
"Bildung und Sprache", 5. durchges. Auflage Paderborn 1997
"Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen", Stuttgart 1986

Johann Amos Comenius 1592-1670

Comenius war ein Philosoph, Theologe und Pädagoge.

Leben
Geboren wurde Comenius als "Jan" entweder in Nivnice oder in Uherský Brod oder in Komňa in Ostmähren. Von 1608 bis 1611 studierte er am Gymnasium der Brüder-Unität in Přerov, wo er auch den Beinamen Amos annahm. Ab 1611 besuchte er das Gymnasium und die Universität Herborn, ab 1613 dann die Universität Heidelberg. An beiden schrieb er sich unter dem Namen Nivanus / Nivnicensis (d.h. von Nivnice) ein, der Name Komenský (den schon sein Vater trug) taucht erst 1623 und seine lateinische Form Comenius erst 1627 auf.
1614-1617 wirkte er als Lehrer an der Brüderschule in mährischen Přerov (Prerau). 1616 wurde er zum Priester der Brüder geweiht. 1618-1621 war er Pfarrer in Fulnek. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1621) hielt er sich versteckt und musste schließlich 1628 das Land verlassen. Er ließ sich in Lissa in Polen nieder. 1641-1642 unternahm er eine wichtige Reise nach England. 1642 ging er über die Niederlande, Deutschland und Schweden nach Preußen, wo er sich im von Schweden kontrollierten Elbing niederließ. Hier arbeitete er seit 1644 als Professor des Elbinger Gymnasiums und unternahm von hier aus mehrere Reisen nach Deutschland und Schweden. 1648 wurde er zum ersten Bischof der Brüder-Unität ernannt und kehrte dann nach Lissa zurück. In Lissa heiratete er 1649 zum dritten Mal.
1650 fuhr er dann auf Einladung der in Siebenbürgen regierenden Rákóczis (mit zahlreichen Aufenthalten in Mähren und der Slowakei) nach Sárospatak (damals in Siebenbürgen). In Sárospatak war er mit der Reformierung der fürstlichen lateinischen Schule beauftragt. Nach dem Tod des Fürsten Sigismund Rákóczi (1652) musste Comenius allerdings Siebenbürgen wieder verlassen und kehrte 1654 über die Slowakei und Schlesien nach Lissa zurück, wo er bis zur Zerstörung der Stadt durch polnische Soldaten im Jahr 1656 blieb.
Danach lebte er bis zu seinem Tode in Amsterdam. Gestorben ist er entweder am 15. November oder am 25. November, der 15. ist wahrscheinlicher (der Unterschied ergibt sich daraus, dass in der Gegend damals sowohl der gregorianische, als auch der julianische Kalender verwendet wurde). Sieben Tage später wurde er am 22. November 1670 in Naarden begraben.

Ansichten
Im Mittelpunkt seiner Pädagogik steht eine christlich humanistische Lebensgestaltung. Die drei philosophischen Grundprinzipen der Pädagogik von Comenius sind: "omnes, omnia, omnino" (lat.), d.h. "allen Menschen alle Dinge der Welt in grundlegender Weise beizubringen". Comenius glaubte an das Ideal des zwangsfreien Unterrichts was er in seinem Motto: "omnia spunte fluant, absit violentia rebus" (lat.) d.h. "Gewalt sei fern von den Dingen, alles fließe aus eigenem Antrieb", welches auf der Titelseite von "Orbis sensualium Pictus" erscheint, manifestierte. Comenius sah Pädagogik als eine rettende Kraft, welche die Menschheit durch die Ausbildung der Jugend zur Weisheit aus dem Verderbnis des 30-Jährigen Krieges wieder herausführen sollte.
Als Lernprinzipien stellte er Lernen durch Tun, Anschauen vor sprachlicher Vermittlung, Muttersprache vor Fremdsprache, Beispiel (Vorbild) vor die Worte.
In seinen didaktischen Werken forderte Comenius allgemeine Reform des Schulwesens mit einer Schulpflicht für Jungen und Mädchen mit einer einheitlichen Schulausbildung bis zum 24. Lebensjahr, Anschaulichkeit und Strukturierheit des Unterrichts, Bezug des Unterrichts zum Alltag, Anschaulichkeit im Unterricht und vieles mehr. Viele Prinzipien sind auch heute ein Bestandteil des Bildungssystems.
Comenius ist der Begründer der Didaktik. Er entwickelte die erste systematisch aufgebaute Didaktik der Neuzeit.

Werk
Seine bekanntesten Werke sind Janua Linguarum Reserata (Die geöffnete Sprachenpforte), die erstmals Sachunterricht und (lateinischen) Sprachunterricht verknüpfte und in 12 europäische und auch mehrere asiatische Sprachen übersetzt wurde, und der Orbis sensualium pictus (Die sichtbare Welt in Bildern), die illustrierte Version der Janua, der "Ahnherr aller Kinderbilderbücher". Es war nicht nur das erste illustrierte Kinderbuch, es war zugleich auch die erste Enzyklopädie für Kinder.
Sein pädagogisches Hauptwerk ist die Didactica magna (Große Unterrichtslehre), eine der wichtigsten Schriften in der Geschichte der Didaktik.
Es folgt eine fast komplette Liste seiner Werke:
Problemata miscellanea (1612) - eine philosophische Abhandlung
Grammaticae facilioris praecepta (1616) - Grammatik-Handbuch, heute verloren
Divadlo veškerenstva věcí (1616) - ein nicht vollendetes Programm für die erste tschechische Enzyklopädie
Retuňk proti Antikristu a svodům jeho (1617-18) - eine Schrift gegen den Papst
Listové do nebe (1619) - eine Kritik der sozialen Ungerechtigkeit
O poezii české (1620) - Abhandlung
Přemyšlování o dokonalosti (1622) - eine seiner verlassenen Frau gewidmete Trostschrift
Nedobytelný hrad jméno Hospodinovo (1622) - Trostschrift
Truchlivý (1622?-1651) - Trostschrift in drei Teilen
Labyrint světa a ráj srdce (1623/1631) - Trostschrift
O sirobě (1624) - Trostschrift
Pres boží (1624) - Trostschrift
Centrum securitatis čili hlubina bezpečnosti (1625) - Trostschrift
Česká didaktika (1627-1632) - seine grundlegende pädagogische Schrift
Informatorium školy materské (1630) - eine Anleitung zur Erziehung von Kindern im Kindergartenalter
Ianua linguarum reserata (1631) - sein berühmtes Lateinlehrbuch
Navržení krátké o obnově škol v království českém (1632) - ein Vorschlag zur Reform des tschechischen Schulwesens
Haggaeus redivivus (1632) - eine Kritik der sozialen Unterdrückung und der Habsburger
Pozoun milostivého léta (1632) - er drückt seine Hofffnung auf baldige Heimkehr nach dem Sieg Schwedens aus
Vestibulum (1633) -Lateinlehrbuch
Physicae synopsis (1633, Leipzig) - Physiklehrbuch
Conatuum Comenianorum praeludia (1637, Oxford) - pansophische Schrift
Prodromus pansophiae (1639, London) - pansophische Schrift
Via lucis (1642 und 1668) - seine Ansichten zur Bildung und zum Schulwesen
Pansophiae diatyposis (1643, Danzig) - pansophische Schrift
Methodus linguarum novissima (1649) - ein sehr erfolgreiches Sprachenlehrbuch
Historia persecutionum Ecclesiae Slavonicae (1647) - eine Aufforderung an europäische Protestanten den Tschechen zu helfen
Kšaft umírající matky, Jednoty bratrské (1650) - Enttäuschung wegen dem Westfalischen Frieden
Independentia aeternarum confusionum origo (1650) - eine gegen die englischen Independenten gerichtete Schrift
Schola pansophica (1651) - pansophische Schrift
Sermo secretus Nathanis ad Davidem (1651) - eine an den Fürsten Sigismund Rákóczi gerichtete Aufforderung zum Kampf gegen die Habsburger
Gentis felicitas (1659, Amsterdam) - eine Aufforderung zum Kampf gegen die Habsburger
Schola ludus (1654) - eine Dramatisierung von Ianua linguarum reserata
Panegyricus Carolo Gustavo (1655) - eine Aufforderung an den schwedischen König zu Reformen und Religionsfreiheit in Polen
Opera didactica omnia (1657) - eine Zusammenfassung seiner pädagogischen Schriften in vier Teilen; darunter auch die Didactica magna - Komensky's wichtigste pädagogische Schrift
Lux in tenebris (1657) - Übersetzung der Prophezeiungen von Kryštofer Kotter, Mikuláš Drabík und Kristina Poniatowska, die Aufforderungen zum Kampf gegen die Habsburger und gegen den Katholizismus enthalten
Orbis sensualium pictus (1658, Nürnberg) - sein berühmtes Bilderbuch für den Sprachunterricht
Kancionál (1659) - eine Sammlung religiöser Lieder
Ecclesiae Slavonicae brevis historiola (1660, Amsterdam) - eine Geschichte der "slawischen Kirche"
De rerum humanarum emendatione consultatio catholica (1662) - sein größtes Werk (auch "Konsulationen" genannt), eine philosophische Schrift in 7 Teilen (4 davon unvollendet)
Lux e tenebris (1665) - eine Erweiterung von Lux in tenebris
Clamores Eliae (1665-1670) -Sammlung von Komensky's Ideen zur Besserung der Welt
Angelus pacis (1667) - eine Aufforderung zum Frieden
Unum necessarium (1668) - eine Art Komensky's philosophisches Testament
Continuatio admonitionis fraternae (1669) - Polemik mit einem seiner Widersacher

Gegenwartsbedeutung
Comenius kann als der große Pädagoge des 17. Jahrhunderts angesehen werden.Er gab der Pädagogik eine neue Richtung. Er ist der Erste, der die Pädagogik vom Kind her entwirft. Er sieht zwar nicht die Kindheit als eigenständige Phase, das Kind hat bei ihm noch keine Gegenwart, wie später bei Rousseau oder Montessori, sondern die Kindheit ist die Vorbereitung auf das spätere Leben als Erwachsener, welches dann wiederum die Vorbereitung auf das "ewige Leben" ist. Dennoch ist Comenius einer der Ersten, der die Pädagogik methodisch, didaktisch und inhaltlich nach den unterschiedlichen Kindheitsphasen richtet, zwar noch sehr grob strukturiert, aber immerhin differenzierter, als es bis dahin Usus war. Seine Forderung nach einer grundlegenden, das Wesentliche umfassenden Allgemeinbildung für alle, nach bildungspolitischer Chancengleichheit für Mädchen, sozial Schwache und geistig Zurückgebliebene, die Prinzipien der Anschauung und der Selbstständigkeit, der Erziehung zum Gebrauch der eigenen Vernunft, seine Vorstellung einer lebensnahen freundlichen Schule und einer gewaltfreien Erziehung,sind bis zur heutigen Zeit gültig geblieben.Ebenso seine Erziehungsziele, die Erziehung des Menschen zur Menschlichkeit und die dadurch entstehende Weltverbesserung. Seine Hoffnung auf eine humane Welt, auf Fortschritt und Verbesserung des menschlichen Lebens verbinden ihn mit der Neuzeit. Neuzeitlich sind auch seine Vorstellung von der zentralen Stellung des Menschen für den Erneuerungsprozess der Welt, bei ihm allerdings noch nicht losgelöst von Gottes Handeln. Comenius ist eine Art Bindeglied zwischen der Renaissance und der Aufklärung. Einerseits noch in der theologischen Tradition stehend, anderseits die Vernunft eines jeden Menschen, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit betonend.

Weblinks
eine lateinisch - deutsch - tschechisch - ungarische Ausgabe von orbis pictus vom 1685 (http://www.main.cz/konyvtar/komensky/orbis_aa0.htm) alle 152 illustrierte Facsimilie-Seiten zum virtuellen Durchblättern
Orbis pictus (http://www.grexlat.com/biblio/comenius/)
http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~fachschaft/hausarbeiten/comenius.html
Europäisches COMENIUS/SOKRATES-Programm (http://www.kmk.org/pad/sokrates2/sokrates/fr-sokrates.htm)

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