Freitag, 28. Januar 2005

Einstein zum Reinschnuppern

Für ein Ausnahmegenie einmal eine Ausnahme:

hier ein paar interessante Links:
https://jupe.twoday.net/topics/einstein/

Ist - so glaube ich - für alle was...
Euer Riesemann

Goethe, Johann Wolfgang von 1749-1832

Goethe ist als Dichter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Staatsmann der bekannteste Vertreter der Weimarer Klassik. Als Verfasser von Gedichten, Dramen und Prosa-Werken, gilt er als großer deutscher Dichter und ist eine herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur.

Johann Wolfgang von Goethe
Er war verheiratet mit Christiane von Goethe, geborene Vulpius, sein einziger Sohn war August von Goethe. Seine berühmten letzten Worte sollen „Mehr Licht!“ gewesen sein.

Leben
Herkunft und Jugend (1749-1765)
Goethes Vater war der Kaiserliche Rat Johann Caspar Goethe (* 1710; † 1782). Er hatte in Leipzig Rechtswissenschaften studiert, am Reichskammergericht in Wetzlar gearbeitet, Reisen nach Rom und Paris unternommen, und sich schließlich in seiner Vaterstadt Frankfurt niedergelassen, wo die Familie in einem geräumigen Haus am Großen Hirschgraben lebte. Er ging dort ganz seinen Neigungen und Interessen nach; so widmete er sich der Zusammenstellung eines Naturalienkabinetts und der Sammlung von Gemälden.
Goethes Mutter, Katharina Elisabeth Goethe (* 1731; † 1808), war eine geborene Textor. Die Tochter des Frankfurter Bürgermeisters hatte mit 17 Jahren den damals 38-jährigen Rat Goethe geheiratet.
Außer der am 7. Dezember 1750 geborenen Schwester Cornelia Friderike Christiana starben alle anderen Geschwister früh. 1758 erkrankte Goethe an den Blattern (Pocken).
Goethe wurde von seinem Vater und auch durch Privatlehrer unterrichtet, außerdem erhielt er Unterricht im Reiten und Fechten.
Schon früh interessierte er sich für die Literatur, wobei er sein Augenmerk zunächst auf Friedrich Gottlieb Klopstock (damals hochmodern!) und Homer richtete. Außerdem bewarb er sich mit 14 Jahren um die Mitgliedschaft in der Arkadischen Gesellschaft zu Phylandria. Auch begeisterte er sich für das Theater - so besuchte er während der französischen Besetzung 1759 häufig das französische Theater im Junghof. 1763 erlebte er ein Konzert des damals 7 Jahre alten Mozart.
Am 30. September 1765 verließ er Frankfurt, um in Leipzig das Studium der Rechte aufzunehmen.
Leipzig (1765-1768)
Von 1765 bis 1768 studierte Goethe in Leipzig. Er hörte dort die Poetikvorlesung von Christian Fürchtegott Gellert und nahm an dessen Stilübungen teil. Auch nahm er Zeichenunterricht bei Adam Friedrich Oeser, dem Direktor der Leipziger Akademie. Er verliebte sich in Käthchen Schönkopf und besang diese Liebe in heiter-verspielten Versen in der Tradition des Rokoko (Gedichtzyklus Annette). Auerbachs Keller und die dort beheimatete Sage von Fausts Fassritt 1525 beeindruckten ihn so sehr, dass er später Auerbachs Keller als einzigen konkret existierenden Ort in sein Drama Faust I aufnahm. - Ein Blutsturz zwang ihn, das Studium abzubrechen und am 28. August 1768 nach Frankfurt zurückzukehren.
Frankfurt/ Straßburg (1768-1770)
Es folgt eine eineinhalbjährige, von manchen Rückfällen unterbrochene Genesungszeit. Während der Rekonvaleszenz wird er liebevoll von Mutter und Schwester umsorgt. Eine Freundin der Mutter, Susanne von Klettenberg, bringt ihn mit pietistischen Vorstellungen in Berührung.
Im April 1770 verlässt er Frankfurt, um dem Wunsch seines Vaters entsprechend in Straßburg sein Studium zu beenden. In Straßburg lernte er Friederike Brion, eine Pfarrerstochter, kennen. Ihr widmete er einige Gedichte darunter z.B. „Willkommen und Abschied“, „Sesenheimer Lieder“ und „Heideröslein“.
Wetzlar (1772)
Am 10. Mai 1772 ging er zum Abschluss der juristischen Ausbildung als Referendar an das Reichskammergericht in Wetzlar. Er war vom 25. Mai desselben Jahres an Rechtspraktikant am Reichskammergericht. Seine Großtante, Frau Hofrat Susanne Cornelia Lange, die in Wetzlar lebte, vermittelte ihm ein Haus, in dem er zusammen mit Jakob Heinrich Born, einem Bekannten aus der Leipziger Studienzeit und Sohn des Bürgermeisters von Leipzig, wohnte. Nach der unglücklichen Liebe zu Charlotte Buff verließ Goethe Wetzlar am 11. September 1772 wieder.
Er hatte gerade sein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und wollte auf Drängen seines Vaters Kenntnisse im Kameralrecht und in der Prozeßführung sammeln. Goethes Vater hatte große Pläne mit seinem einzigen Sohn: Sein Ziel war es, ihn zum Schultheißen in Frankfurt zu machen. Daher hatte er seinen Sohn schon früh mit Rechtsbüchern vertraut gemacht und ihn viel auswendig lernen lassen.
Es war nicht so, daß Goethe das Praktikum am Reichskammergericht unwichtig gewesen wäre. Er war durchaus interessiert am Erscheinungsbild des Reichskammergerichtes, da er hoffte, sich daraus ein Bild über die Zustände im Reich machen zu können. Er nahm Veränderungen in der Rechtspraxis wahr und konnte diese als Ganzes überschauen, war sich aber der Lückenhaftigkeit seiner Fachkenntnisse beim Studienabschluß bewusst. Goethe wollte im Sinne von fortschrittlicher, humaner Rechtsprechung und Vollzug und systematisch strukturierten und philosophisch begründeten Gesetzen unter Berücksichtigung von psychischen und sozialen Faktoren arbeiten, das läßt sich aus den erhaltenen 28 Akten des Advokaten Goethe ableiten.
Dennoch besuchte er das Reichskammergericht sehr selten und nutzte es kaum als Ausbildungsmöglichkeit. Denn zum einen war er gegenüber der Rechtspraxis skeptisch wegen der Korruption, die er als Ausdruck der zerrütteten Verhältnisse in Deutschland sah. Diese hatte sein Vater schon, als Goethe noch ein Kind war, angeprangert. Zum anderen mißtraute er dem Reichskammergericht und den Visitationen zwischen 1767 und 1776. Er glaubte wie viele andere junge Juristen, mit denen er sich im Gasthof »Zum Kronprinzen« traf, nicht, daß diese etwas verbessern könnten. Außerdem behauptet Goethe später, als er Dichtung und Wahrheit niederschreibt, es habe sich schon in seiner Kindheit gezeigt, daß er kaum aus Interesse an den Rechtswissenschaften Jurist werden wollte, sondern vielmehr aus Reiselust.
Nach dem Suizid des Gesandtschaftssekretärs Karl Wilhelm Jerusalem Ende Oktober 1772 kehrte Goethe vom 6. bis 10. November 1772 noch einmal für kurze Zeit nach Wetzlar zurück. Jerusalem war ein entfernter Bekannter von Goethe. Sein Suizid war für Goethe der Auslöser, seinen Roman Die Leiden des jungen Werthers zu schreiben. Darin verbindet er die eigenen Erlebnisse mit seiner angebeteten Charlotte Buff mit dem Schicksal Jerusalems, das er in Gesprächen mit Personen, die kurz vor seinem Tod noch mit ihm zu tun gehabt hatten, ergründete. Der Roman wird ein großer Erfolg und gilt als literarische Initialzündung der Empfindsamkeit und der Sturm und Drang-Literatur.
Weimar (1775-1805)
Goethes Wohnhaus in Weimar
In dem Goethehäuschen auf dem Kickelhahn bei Ilmenau schrieb Goethe 1780 sein Gedicht "Wanderers Nachtlied"1776 tritt Goethe als Geheimer Legationsrat in den Staatsdienst des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach ein und bekam weitere politische Aufgaben. Er wohnte 6 Jahre in seinem „Gartenhaus“ (Goethe-Haus), das der Herzog ihm schenkte und dessen umliegenden Garten er als Parkgarten selbst plante und gestaltete. Diesen „Garten am Stern“ bezeichnete er später in seinen Tagebüchern als „untern Garten“. Maßgeblich beteiligt war er auch an der Planung des Landschaftsgartens an der Ilm. Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht, ich könnte glücklich sein schreibt er in seinem Tagebuch.
Er lernte die Hofdame Charlotte von Stein kennen. 10 Jahre lang verband die beiden eine innige Beziehung.
1779 wird er zum Geheimrat befördert. Die Entscheidung, das Angebot des acht Jahre jüngeren Herzog Carl August in dem Weimarer Mini-Staat ein wichtiges Amt anzunehmen, war eine für politische Reformtätigkeit. Goethe war innerhalb des Kabinetts verantwortlich für eine wachsende Zahl von Zuständigkeiten. Politik blieb - auch nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst - ein Feld, dem er seine stetige Aufmerksamkeit schenkte.
In diesen Jahren begann er sich intensiv mit der Naturwissenschaft zu beschäftigen.
Am 23. Juni 1780 wird er als Lehrling in die Weimarer Loge Amalia aufgenommen. Der Meister vom Stuhl, Staatsminister Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch sah Goethe mit Skepsis und übergab daher den Hammer an Johann Joachim Christoph Bode. Er dachte sogar wegen Goethes Ernennung zum Geheimrat an Rücktritt von seinem Amt als Staatsminister. Zum Gesellen wird Goethe am 23. Juni 1782 befördert, am 2. März 1782 zum Meister erhoben. Wenige Wochen nach dieser Erhebung musste die Loge Amalia ihre Arbeit einstellen, da es in der Freimaurerei in dieser Zeit zu Verwürfnissen kam.
Der Herzog vermietete ihm 1782 dann ein Haus am Frauenplan, das er ihm 1792 schließlich schenkte. Hier lebte Goethe bis zu seinem Tod. Auch den Garten am Frauenplan gestaltete der Dichter selbst. (1885, nach dem Tod des letzten Enkels und Erben Goethes wurde das Haus am Frauenplan zum Nationalmuseum erklärt. Da nach dem zweiten Weltkrieg sehr viel zerstört wurde, kam Karl Foerster nach Weimar und gestaltete den Garten neu).
Aufnahme in den Illuminatenorden am 11. Februar 1783 unter dem Namen „Abaris“, geworben von Johann Joachim Christoph Bode.
1783-1785 Reise in den Harz. 1784 entdeckte er den Zwischenkieferknochen am menschlichen Schädel.
Reise nach Italien (1786-1788)
Goethe in Italien1786 verließ Goethe fluchtartig die heimischen Gefilde. Seinen Aufenthalt in Italien beschreibt Goethe in der Italienischen Reise. In Rom freundete er sich 1786 mit Heinrich Tischbein an, mit dem er 1787 unter anderem nach Neapel reiste. Im selben Jahr entstand auch das berühmte Gemälde Tischbeins, das Goethe als Reisenden in der römischen Campagna zeigt (siehe abgebildetes Detail). Auch Angelika Kauffmann lernte er dort kennen.
1788 bis 1805
Etwa ab dem 40. Lebensjahr muss Goethe weitgehend unbeweglich und steif gewesen sein. Er litt unter schweren Bandscheibenschäden und Verwachsungen mehrerer Brustwirbel.
1798 schrieb er die Elegie „Die Metamorphose der Pflanzen“.
Nach 1805
1814 reist er in die Rhein- und Maingegenden, 1817 beginnt er die „Geschichte seines botanischen Studiums“ „Zeitschrift Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie“ (bis 1824).
Freundschaft mit Kaspar Maria von Sternberg und Karl Friedrich Zelter.
Goethe starb am 22. März 1832 und wurde am 26. März in der Fürstengruft bestattet.

Nachkommen
Johann Wolfgang von Goethe und seine Frau Christiane hatten fünf Kinder. Außer August, dem ältesten, sind alle tot geboren worden oder früh gestorben. August hatte drei Kinder: Walther Wolfgang (*1818), Wolfgang Maximilian (*1820) und Alma Sedina von Goethe (*1827). August starb zwei Jahre früher als Goethe selbst. Seine Frau Ottilie von Goethe gebar nach seinem Tod ein weiteres (nicht von August stammendes) Kind namens Anna Sybille, welches nach einem Jahr starb. Alma starb 1844 mit 16 Jahren, Wolfgang starb 1883 und Walther 1885. Alle waren unverheiratet und so starben die direkten Nachkommen von Johann Wolfgang von Goethe 1885 aus. Wolfgang und Walther, der 1859 Freiherr wurde, vermachte den Nachlass der Großherzogin Sophie und dem Staat Sachsen-Weimar-Eisenach.

Stammbaum Goethes
Friedrich Georg (*1657) (weitere 8 jüngere Geschwister)
|
Johann Kaspar G.
+ Katharina Elisabeth Textor
______________|________________
| | |
Johann Wolfgang Cornelia weitere früh Gestorbene
+ Christiane Vulpius |
|_______________ *
| |
August vier früh Gestorbene
+ Ottilie von Pogwisch
|_______________________________
| | |
Walther Wolfgang Alma
(*) Cornelia hatte zwei Töchter: Luise Maria Anna (1774-1811) und Julie (1777-1793; nur 16 Jahre). Luise hatte neun Kinder mit Ludwig Nicolovius. Vier davon waren früh gestorben oder kinderlos. Die anderen fünf Kinder hatten zahlreiche Nachkommen, wovon heute noch einige leben.
Goethes Genealogie wird umfassend in der Literatur behandelt. Eine umfangreiche Homepage gibt es unter www.goethe-genealogie.de-

Einzelaspekte des Lebens
Goethedenkmal am Ilmenauer MarktplatzGoethe ist eine faszinierende Persönlichkeit. Grund dafür ist vorallem seine Vielgestaltigkeit: Diese zeigt sich in vielen Aspekten, die sich gegenseitig erhellen. Jeder dieser Aspekte lässt sich oft über Jahrzehnte hindurch verfolgen und bildet gewissermassen eine eigene Biographie.
Zwei spezielle Aspekte sind seine Beziehungen zu Frauen - und seine Krankheiten. Wobei diese beiden Aspekte einander insofern entgegengesetzt sind, als Frauen häufig die Anfangspunkte einer Entwicklung in Goethes Leben markieren - ein neues Kapitel wird aufgeschlagen -, während die (teilweise schweren) Erkrankungen häufig Endpunkt, Abschluss, aber auch Flucht kennzeichnen.

Lieben, Liebchen und Liebeleien: Goethe und die Frauen
Anna Katharina Schönkopf (auch „Käthchen“ und „Annette“) (1746–1810): Tochter des Zinngießers Christian Gottlieb Schönkopf, bei dessen Familie Goethe während seiner Leipziger Studienzeit den Mittagstisch nahm. Dort lernt er 1766 das 3 Jahre ältere Käthchen kennen und verliebt sich in sie, eine Liebe, die ihn zur Produktion verspielter Lyrik im Stile des Rokoko anregt (unter anderem die so genannten Annettenlieder). Im Frühjahr 1768 wird die Beziehung gelöst, die - wegen Goethes extremer Eifersucht - von Anfang an unter Belastungen litt.
Während der Zeit der Beziehung entsteht das Stück Die Laune des Verliebten. In diesem Schäferspiel wird ein eifersüchtiger Liebhaber von seiner Eifersucht geheilt, als er erkennt, dass auch er untreu sein kann.
Auch nach dem Ende der Beziehung schrieb Goethe noch einige Zeit - durchaus galante Briefe - an Anna Katharina. Diese heiratete dann 1770 den achtbaren Juristen Dr. Karl Kanne, der später Vizebürgermeister von Leipzig wurde. Interessant ist, dass er den „von“-Titel von Graf Theodorius von Burgschaften verliehen bekam.
Susanne von Klettenberg
Friederike Brion
Charlotte Buff
Maximiliane von La Roche, Mutter von Clemens Brentano
Lilli Schönemann
Charlotte von Stein
Christiane Vulpius
Marianne von Willemer
Ulrike von Levetzow
Corona Schröter

Krankheiten
1758: Goethe erkrankt an den Blattern (Pocken), die Narbenspuren der Krankheit bleiben ihm bis ins Alter
1768: Während der Leipziger Studienzeit kommt es zu einer lebensgefährlichen Erkrankung (Halsgeschwulst und Blutsturz, wohl aus einer tuberkulösen Kaverne), die möglicherweise Ausdruck einer seelischen Krise war. Goethe kehrt nach Frankfurt zurück. Es folgt eine eineinhalbjährige Genesungsphase, die von Rückfällen und Depressionen unterbrochen wird.
1801: Er erkrankt an einer Gesichtsrose
1805: Nierensteinleiden mit häufigen Koliken
1823: Erster Herzinfarkt und Herzbeutelentzündung
1830: Erneuter Blutsturz
1832: Erneuter Herzinfarkt mit kardiogenem Schock und Lungenödem

Einzelaspekte des Werkes
Naturwissenschaftliche Arbeiten
In seiner Weimarer Zeit begann Goethe sich auch naturwissenschaftlich zu beschäftigen, vor allem auf dem Gebiet der Geologie und Botanik. Vor allem in Italien suchte er seine „Urpflanze“. Sein wissenschaftlicher Ansatz als Botaniker: Alles ist Blatt und durch diese Einfachheit wird die größte Mannigfaltigkeit möglich ist heute allerdings wissenschaftlich widerlegt. Er selbst betrachtete die Farbenlehre als sein naturwissenschaftliches Hauptwerk. Aus physikalischer Sicht ist seine Farbenlehre heute wenig naturwissenschaftlich und wenig bemerkenswert. In der Zoologie wurde er bekannt durch die Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschenembryo, dessen Fehlen bis zu dem Zeitpunkt eines der wichtigsten Argumente gegen die Verwandtschaft des Menschen mit den Affen war.

Werke
Es war eine der besonderen Eigenarten Goethes, begonnene Dichtungen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte liegen zu lassen, bereits gedruckte Werke erheblichen Umarbeitungen zu unterwerfen und manches Fertiggestellte erst nach langer Zeit in den Druck zu geben. Eine chronologische Liste der Werke ist daher insofern schwierig zu erstellen, da der Zeitraum der Bearbeitung häufig unklar, das Jahr des Erstdrucks aber oft nicht mit der dichterischen Entwicklung Goethes korrespondiert. Die folgende Liste orientiert sich im Zweifelsfall am (vermutlichen) Zeitpunkt der Entstehung.
Die Laune des Verliebten (Schäferspiel), verfasst 1768, im Druck 1806
Die Mitschuldigen (Lustspiel), begonnen 1769, im Druck 1787
Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Schauspiel), 1773
Prometheus (Gedicht), 1774
Neueröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel, 1774
Ein Fastnachtsspiel vom Pater Bray, 1774
Jahrmarktsfest zu Plundersweilen, 1774
Götter Helden und Wieland (Farce), 1774
Clavigo (Trauerspiel), 1774
Die Leiden des jungen Werther (Briefroman), 1774, 2. Fassung 1787
Egmont (Trauerspiel), begonnen 1775, im Druck 1788
Erwin und Elmire (Schauspiel mit Gesang), 1775
Wilhelm Meisters theatralische Sendung ("Urmeister", Roman), ab 1776, Im Druck 1911
Stella. Ein Schauspiel für Liebende, 1776
Iphigenie auf Tauris (Drama), Prosafassung 1779, im Druck 1787
Torquato Tasso (Drama), ab 1780, im Druck 1790
Über den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere, 1786
Römische Elegien, entstanden 1788-90
Venezianische Epigramme, 1790
Faust. Ein Fragment, 1790
Beiträge zur Optik (Abhandlungen, 2 Bde.), 1791/92
Der Groß-Cophta (Lustspiel), 1792
Der Bürgergeneral (Lustspiel), 1793
Reineke Fuchs (Tierepos), 1794
In allen guten Stunden (freimaurerisches Bundeslied), 1775
Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (Rahmenerzählung), 1795
Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/96
Xenien (Gedichte, zusammen mit Friedrich Schiller), 1796
Faust I. Eine Tragödie (1. Teil des Faust), ab 1797, im Druck 1808
Das Leben des Benvenuto Cellini (Aufsatz), 1797
Novelle, ab 1797
Herrmann und Dorothea (Idylle in Hexametern), 1798
Die natürliche Tochter (Trauerspiel), 1804
Wilhelm Meisters Wanderjahre (Roman), ab 1807, im Druck 1821, erweiterte Fassung 1829
Pandora (Festspiel), entstanden 1807/08, im Druck 1817
Die Wahlverwandtschaften, 1809
Zur Farbenlehre (wiss. Abhandlung), 1810
Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (autobiografische Dichtung, 4 Bde.), 1811-33
Vom Sänger hat man viel erzählt (freimaurerisches Gedicht zum Dank des Sängers), 1815
Wenn die Liebste zum Erwidern (freimaurerisches Gedicht zur Verschwiegenheit), 1816
Italienische Reise, 1816/17
Über Kunst und Altertum (6 Bde., zusammen mit Johann Heinrich Meyer), 1816-32
Dem würdigen Bruderfeste: "Fünfzig Jahre sind vorüber" (poetischer Dank für eine Ehrenurkunde seines fünfzigjährigen Maurerjubiläums), 1820
West-östlicher Divan (Gedichte), 1819
Einleitung zu den Trauerreden (freimaurerische Trauerrede zum Ableben des Meisters vom Stuhl Ridel), 1821
Kampagne in Frankreich (Bericht), 1822
Rede zum brüderlichen Andenken Wielands (freimaurerische Trauerrede), von Goethe vorgetragen am 18. Februar 1830
Faust II. (2. Teil des Faust), 1833
Maximen und Reflexionen, 1833

Rezeption
Goethe als „Olympier“, als „Kult-Figur“
Wie kein anderer wurde Goethe schon zu Lebzeiten als unerreichter und unerreichbarer Gipfel deutscher Dichtung stilisiert (siehe auch Die Leiden des jungen Werther), wozu sein eigenes Auftreten im Alter zweifellos beitrug. Ludwig Börne titulierte ihn dagegen als „Stabilitätsnarr“ mit seiner Angst vor Religion und Tod, Liebe und Hingabe, seinem egoistischen Festhalten an der hergebrachten Ordnung.
In Deutschland ist Goethe recht bekannt, da seit Generationen Goethes Werke ein fester Bestandteil des Lehrplans im Deutschunterricht sind.

Goethe auf dem Theater
Die herausragenden Inszenierungen der Stücke von Goethe blieben vor allem durch ihre Verfilmungen in Erinnerung. Hervorzuheben ist da natürlich die Lebensbeschäftigung von Gustaf Gründgens mit der Rolle des Mephisto in seinen Inszenierungen vom Faust. Zum ersten Mal spielte er den Mephisto 1932. Er inszenierte Faust I 1941 und Faust II 1942 in Berlin. Ende der 1950er Jahre brachte er seine Faust-Inszenierung als Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg heraus, die dann auch fürs Kino verfilmt wurde.
Eine weitere legendäre Faust-Inszenierung ist 1988/1989 in den Münchener Kammerspielen entstanden. Dieter Dorn inszenierte einen sehr volkstümlichen Faust, der völlig im Gegensatz zu Gründgens stand. Helmut Griem war als Faust zu sehen, Romuald Pekny als Mephisto. Die Frauenrollen wurden mit Sunnyi Melles als Gretchen und Cornelia Froboess als Marthe besetzt.
Als einer der wichtigsten Goethe-Interpretatoren zeigte sich in seiner langen Karriere Peter Stein. Bereits zu Beginn als junger Regisseur zeigte er eine neue Lesart mit seiner Inszenierung des Torquato Tasso 1969 in Bremen, die noch heute als modern gilt. Und Peter Stein war es, der zur Expo 2000 in Hannover, anschließend zu sehen in Berlin und Wien, den gesamten Faust auf die Bühne brachte.
Das Verdienst, 1938 als erstes beide Teile des Faust inszeniert zu haben, gebührt der Goetheanum-Bühne in Dornach bei Basel, die seither jeweils im Abstand einiger Jahre unter wechselnden anthroposophischen Regisseuren zyklische Aufführungen und Tagungen veranstaltet, zuletzt von April bis August 2004.

Weitere herausragende Goethe-Inszenierungen:
Fritz Kortners letzte Inszenierung vor seinem Tod war 1970 Clavigo mit Thomas Holtzmann und Rolf Boysen.
Torquato Tasso von Dieter Dorn Mitte der 1980er Jahre mit Manfred Zapatka als Tasso und Gisela Stein als Leonore.
Maßstab setzte für die Iphigenie auf Tauris setzte die Inszenierung von Hans Neuenfels aus dem Jahre 1980 für das Schauspiel in Frankfurt.
Der früh verstorbene Ernst Wendt inszenierte ebenfalls einen wunderbaren Torquato Tasso an den Münchener Kammerspielen 1982.
Claus Peymann inszenierte 1976 gemeinsam mit Achim Freyer beide Teile des Fausts am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart.

Vertonungen
Zahlreiche seiner Gedichte sind von unterschiedlichen Komponisten vertont worden. Am herausragendsten sind die Vertonungen von Franz Schubert, an denen Goethe jedoch bemängelte, dass die Musik zu sehr im Vordergrund stünde und nicht schlicht genug sei. Goethe bevorzugte die Vertonungen von Karl Friedrich Zelter. Weitere Komponisten, die Lyrik Goethes vertonten sind zum Beispiel: Wolfgang Amadeus Mozart (Das Veilchen, eine sehr frühe Goethe-Vertonung), Ludwig van Beethoven, Johann Friedrich Reichardt, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Carl Loewe, Hugo Wolf, Richard Strauss, Ernst Pepping und Jürg Baur. Die 1797 entstandene Ballade Der Zauberlehrling wurde von dem französischen Komponisten Paul Dukas musikalisch umgesetzt.
Ein Werk größeren Zuschnitts ist Mendelssohns Kantate Die erste Walpurgisnacht, bemerkenswert nicht zuletzt wegen der persönlichen Bekanntschaft von Dichter und Komponist.
Auch Goethes dramatische Werke waren und sind eine Quelle der Inspiration für Komponisten. In der heutigen Theaterpraxis werden die Schauspielmusiken, etwa Ludwig van Beethovens Egmont-Musik, zwar nicht mehr aufgeführt, aber einige Ausschnitte haben sich doch wenigstens im Konzert- und CD-Repertoire gehalten.
Die bei weitem stärkste Ausstrahlung hatte zweifellos Faust, insb. der erste Teil, so etwa auf Robert Schumann, Louis Spohr, Charles Gounod, Hector Berlioz. Den Schlussteil von Faust II verwendete Gustav Mahler in seiner 8. Symphonie. Von der Forschung wurden etwa 50 Faust-Bearbeitungen alleine für die Opernbühne nachgewiesen. Die Lied- und Chorsätze sind kaum mehr zählbar, selbst wenn man sich auf die Faust-Vertonungen beschränkt.
Auch im 21. Jahrhundert finden Goethes Werke noch in der Musik statt: In Extremo - Der Rattenfänger ( aus dem Album „Sünder ohne Zügel“)

Filmografie
1926 - Faust - Regie: Friedrich Wilhelm Murnau (mit Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Mephisto und Camilla Horn als Gretchen)
1938 - Werther - Regie: Max Ophüls
1960 - Faust - Gustaf Gründgens und Peter Gorski (mit Will Quadflieg als Faust und Gustaf Gründgens als Mephisto)
1975 - Falsche Bewegung - Regie: Wim Wenders (freie Bearbeitung des Wilhelm Meister-Stoffes mit Rüdiger Vogler als Wilhelm)
1976 - Die Leiden des jungen Werther - Regie: Egon Günther (mit Hans-Jürgen Wolf als Werther und Katharina Thalbach als Lotte)
1979 - Götz von Berlichingen - Regie: Wolfgang Liebeneiner (mit Raimund Harmstorf als Götz)
1989 - Faust - Regie: Dieter Dorn (mit Helmut Griem als Faust, Romuald Pekny als Mephisto und Sunnyi Melles als Gretchen)
Der Totentanz

Literatur
Karl Otto Conrady: Goethe - Leben und Werk, Artemis Verlag Zürich 1994, 1040 Seiten.
Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon, Stuttgart 1998, Kröner, ISBN 3-520-40701-9
Goethe, Johann Wolfgang (http://aronsson.se/adb/9/413), in: Allgemeine Deutsche Bibliographie, Bd. 9, S. 413
Wolfram Voigt/Ulrich Sucker, Johann Wolfgang von Goethe, BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Reihe: Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner Band 38, Leipzig 1987
Renate Wieland: Schein Kritik Utopie. Zu Goethe und Hegel, München (edition text + kritik) 1992, ISBN 3-88377-419-7
Ekkehart Krippendorff: Jefferson und Goethe, Hamburg (Europäische Verlangsanstalt/Rotbuch) 2001, ISBN 3-43450-210-6 (alles was man von Lehrern über den Politiker und kritischen Zeitgenossen G. nicht erfährt!)

Weblinks
Orginaltexte
Texte aus dem kommerziellen Projekt Gutenberg (http://gutenberg.spiegel.de/autoren/goethe.htm) (siehe auch: Projekt Gutenberg-DE)
Goethe-Corpus Für Suche nach Textstellen in Werken und Briefen (http://corpus.en.kyushu-u.ac.jp/)
Goethe-Corpus in der freien digitalen Bibliothek (http://www.digbib.org/Johann_Wolfgang_von_Goethe_1749/)

Weitere Links
Goethezeit-Portal der Uni München (http://www.goethezeitportal.de)
Goethes Werke im Spielplan deutschsprachiger Bühnen (http://www.theaterportal.de/detail_search?autor=goethe)
Inhaltsübersicht der Goethe-Biografie Karl Otto Conradys, Schwerpunkt: Das Weltbild Goethes (http://www.thorwalds-internetseiten.de/weltbgoetbio.htm)
Linksammlung der FU Berlin (http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_fgh/goethe/index.html)
Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V. (http://www.goethe-gesellschaft.de)
Goethe-Museum (http://www.goethe-museum.com/)
Goethe und sein „Blitz page“ Philipp Seidel - Zur Homosexualität des Dichterfürsten (http://www.angelfire.com/poetry/seidel)
Auf den Spuren Goethes im Elsass (http://www.bad-bad.de/elsass/goethe.htm)
Das Sternberg-Projekt (http://www.univie.ac.at/sternberg/)
Maximen und Reflexionen in zufälliger Reihenfolge (http://www.kobuli.de/goethe/index.html)
Die Farbenlehre Goethes (http://www.seilnacht.tuttlingen.com/Lexikon/goethe1.htm)
Goethe als Gartenfreund, Botaniker und Naturwissenschaftlerr (http://www.garten-literatur.de/Leselaube/goethe/goethe1_gartenfreund.htm)
Die Faustinszenierung der Goetheanum-Bühne (http://www.faust-goetheanum.ch)
Goethe und dem eigenen Charakter mehr Größe verleihen. (http://www.centrebouddhisteparis.org/Sangharakshita/Donner_style_a_sa_personnalite/Charakter/charakter.html)
Literarischer Reiseführer zu Goethe (http://www.rg.fr.bw.schule.de/stewe/index.htm)
Geheimaktion der DDR - Goethes Gebeine wurden 1970 konserviert (http://www-public.tu-bs.de:8080/~wittram/reisen/Th90/goethe.html) Braunschweiger Zeitung 18.3.99
Goethe und der Orientalist Georg Wilhelm Lorsbach (http://lorsbach.filo.de/goethe/index.html) / Goethe, Lorsbach und ihr Werk "West-östlicher Divan"
Weimarer Ausgabe (http://goethe.chadwyck.com/)

Herder, Johann Gottfried von 1744-1803

Herder war ein Dichter, Übersetzer und Theologe der Weimarer Klassik.

Leben
Kindheit und Jugend
Johann Gottfried von Herder, einer der hervorragendsten und einflussreichsten Schriftsteller und Denker Deutschlands, dem klassischen Viergestirn von Weimar von jeher hinzugezählt, aber erst in den letzten Jahrzehnten in seiner ganzen Bedeutung wieder gewürdigt, wurde am 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen als Sohn des Kantors, Glöckners und Schullehrers Gottfried H. und dessen zweiter Ehefrau, Anna Elisabeth Pelz, geboren. Die Verhältnisse seiner Eltern waren bescheiden und beschränkt, nicht aber so dürftig, dass sie auf eine bessere Erziehung ihrer Kinder und namentlich des Knaben, dessen Begabung früh zu Tage trat, durchaus hätten verzichten müssen. H. besuchte die Stadtschule unter Rektor Grim, erwarb in ihr gute Kenntnisse und wurde zum Studium der Theologie bestimmt. Erst die unerfreuliche Thatsache, dass eine Tränenfistel am rechten Auge sein sonst wohlgebildetes Gesicht entstellte, der Druck und die Not, welche mit dem Siebenjährigen Krieg über die Bewohner von Ostpreußen hereinbrach, vor allem aber die unfreundliche und willkürliche Einmischung des seit 1760 an der Mohrunger Stadtkirche amtierenden Diakonus S. F. Trescho, der Herders Eltern zu bestimmen suchte, den Knaben ein Handwerk lernen zu lassen, kreuzten die künftigen Lebensplane. Trescho nahm den Knaben um seiner Brauchbarkeit willen als Famulus in sein Haus, und des Patrons literarische Thätigkeit wie seine Bibliothek weihten denselben in mancherlei Wissen und mancherlei Mysterien der Literatur ein. Im ganzen war es eine Lage, welche dem jungen H. unauslöschlich trübe und bittere Erinnerungen hinterließ, und aus der er zuletzt nur durch das Eingreifen eines russischen Regimentschirurgen erlöst wurde, der sich erbot, ihn zur Erlernung der Chirurgie nach Königsberg und später nach Petersburg mitzunehmen.
Studium in Königsberg
H. langte im Hochsommer 1762 in der ostpreußischen Hauptstadt an, und da er alsbald erkannte, dass er für den von seinem Beschützer in Aussicht gestellten Beruf gänzlich ungeeignet sei, ließ er sich 10. Aug. als Studiosus der Theologie immatrikulieren. An dem Buchhändler Kanter, dem er sich schon von Mohrungen aus durch Zusendung des „Gesanges an Cyrus“ empfohlen hatte, gewann er einen hilfreichen Gönner. und durch seine Anstellung als Lehrer an der Elementarschule des Collegium Fridericianum ward er der drückendsten Not rasch überhoben und überließ sich rückhaltlos seinem Bildungsdrang. Bedeutenden Einfluss auf die geistige Entwicklung des Jünglings übte von den Universitätslehrern nur Immanuel Kant, außerhalb der Universitätskreise aber der „Magus aus Norden“, der originelle Johann Georg Hamann. Unter den Einwirkungen seiner mannigfaltigen und ausgebreiteten Lektüre wirkte keine tiefer, sein ganzes Wesen bestimmender als die der Schriften J. J. Rousseaus.
Erste Literarische Arbeiten
Herders erste literarische Versuche waren Gedichte und Rezensionen für Kanters „Königsbergische Zeitung“; daneben regten sich mannigfache literarische Pläne. Im Herbst 1764 ward H. als Kollaborator an die Domschule nach Riga berufen, später auch als Pfarradjunkt an den Jesus- und Gertraudenkirchen angestellt, so dass er in der alten Hauptstadt Livlands, die sich damals noch fast republikanischer Selbständigkeit erfreute, einen ausgebreiteten und nicht unwichtigen Wirkungskreis fand. Die Kreise des städtischen Patriziats erschlossen sich dem jungen vielversprechenden Mann, der sich in ihnen mancher Anregung und eines bis dahin ungekannten Lebensgenusses erfreute. Unter so günstigen Umständen eröffnete H. mit den „Fragmenten über die neuere deutsche Literatur“ (Riga 1766-67), dem Schriftchen „Über Thomas Abbts Schriften. Der Torso von einem Denkmal an seinem Grab errichtet“ (das. 1768) und den „Kritischen Wäldern“ (das. 1769) seine große literarische Laufbahn. Mit den Sätzen der „Literatur-Fragmente“, dass die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besonderen Genius der Volksart und Sprache bedingt sind, dass darum die Nachahmung keiner fremden Literatur die deutschefördern könne, mit der Polemik gegen das schon lange andauernde Übergewicht der lateinischen Sprache und Literatur hatte H. seine selbständige Stellung in dem großen Kampf der Zeit genommen. Die Angriffe gegen die seichte und verächtliche Clique der Klotzianer waren nur Konsequenzen seiner Anschauungen. Gleichwohl hatte sich H. Klotz und den Seinen gegenüber Blößen namentlich durch die Ableugnung der Autorschaft der „Kritischen Wälder“ gegeben und ward, wie im späteren Leben noch oft, in ärgerliche Händel verwickelt, die ihm selbst das Behagen an seiner sonst so günstigen Stellung in Riga verleideten. Starker Reisedrang und das Verlangen, sich für eine künftige große Wirksamkeit (welche er sich mehr als eine praktische denn als eine literarische dachte) allseitig vorzubereiten, veranlaßten H., im Frühling 1769 seine Entlassung zu begehren, die man ihm gewährte in der Hoffnung, dass er zurückkehren werde.
Reisender Fürstenerzieher
Mit Beihilfe einiger nächster Freunde, namentlich seines Verlegers Hartknoch, trat er im Juni d. J. eine große Reise an, die ihn zunächst zu Schiff nach Nantes führte, von wo er im November nach Paris ging. Weil er sich rasch überzeugen musste, dass es nicht möglich sein werde, mehrjährige Reisen nur mit Unterstützung seiner Freunde durchzuführen, war ihm der Antrag des fürstbischöflich lübeckischen Hofs zu Eutin, den Erbprinzen Peter Friedrich Wilhelm als Reiseprediger zu begleiten, ganz willkommen. Anfang 1770 kam er nach Eutin und brach im Juli d. J. von dort mit dem Prinzen auf. Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf des Grafen Wilhelm von Lippe in Bückeburg erreicht; gleich darauf lernte H. in Darmstadt seine spätere Frau, Marie Karoline Flachsland (geb. 28. Jan. 1750 in Reichenweier/Elsaß), kennen. Eine rasch gefaßte und erwiderte Neigung nährte in H. den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen nur bis Straßburg, wo er sich mit Johann Wolfgang von Goethe befreundete. Herder begehrte vom Eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zur Lippe angetragene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat an, blieb aber dann um einer (leider mißglückten) Augenoperation willen den Winter in Straßburg und knüpfte hier die freundschaftlichen Beziehungen zu dem um fünf Jahre jüngeren Goethe an.
Prediger in Bückeburg
Ende April 1771 trat H. seine neue Stellung in Bückeburg an. Sein Verhältnis zu dem Landesherrn des kleinen Ländchens, dem berühmten Feldherrn Grafen Wilhelm, ward bei allerAchtung, die der durch und durch soldatische und an keinen Widerspruch gewöhnte Fürst ihm zollte, kein erfreuliches. Auch als Graf Wilhelms Gemahlin, die liebenswürdige fromme Gräfin Maria, sich H. in herzlicher Verehrung anschloss, betrachtete dieser den Aufenthalt in Bückeburg als ein Exil. Verschönert ward ihm dasselbe durch die treue Liebe seiner jungen Gattin, nachdem er im Mai 1773 Karoline Flachsland heimgeführt; resultatreich gemacht durch seine Studien und Arbeiten. Die Zeit des Bückeburger Aufenthalts war für H. die eigentliche Sturm- und Drangperiode. Mit der geistvollen, von der Berliner Akademie preis gekrönten Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ (Berl. 1772), die er noch in Straßburg begonnen, eröffnete er die lange Reihe der verschiedenartigsten Schriften, durch welche er bahnbrechend und pfadzeigend für die junge Literatur ward, und in denen die Fantasie nicht bloß berechtigtermaßen das erste, sondern manchmal auch das letzte Wort hatte. Mit den beiden Aufsätzen über „Ossian und die Lieder alter Völker“ und über „Shakespeare“ in den fliegenden Blättern „Von deutscher Art und Kunst“ (Hamburg 1773) und der Schrift „Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblüht“ trat er in den Mittelpunkt der Bewegung, welche eine aus dem Leben stammende und auf das Leben wirkende, echte Natur atmende Dichtung wiedergewinnen wollte. Mit der Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (o. O. [Riga] 1774) erklärte er derprahlerischen und öden Aufklärungsbildung des Jahrhunderts den Krieg. Rief schon diese Arbeit die entschiedensten Widerspruche, ja Herabsetzungen und Verlästerungen Herders hervor, so war dies in noch höherm Grade der Fall bei Herders theologischen und halbtheologischen Schriften, der „Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts“ (Riga 1774-76, 4Tle.), den „Briefen zweener Bruder Jesu in unserm Kanon“ (Lemgo 1775), den „Erläuterungen zum Neuen Testament, aus einer neueröffneten morgenländischen Quelle“ (Riga 1775) und den 15 Provinzialblättern „An Prediger“ (Leipz. 1774). Die Angriffe, die er erfuhr, veranlaßten ihn, seine schon zum Druck vorbereitete Sammlung der „Volkslieder“ zurückzuhalten. Sie brachen ihm den Entschluss des Weiterwirkens nicht, aber sie steigerten eine hypochondrische Reizbarkeit und ein dämonisches Mißtrauen, welche in Herders Seele früh erwacht waren.
Generalsuperintendent in Weimar
H. verhandelte eben wegen einer Berufung an die Universität Göttingen (wo man ihm ein Kolloquium zur Prüfung seiner angezweifelten Orthodoxie auferlegen wollte), als ihm durch Goethes freundschaftliche Bemühungen im Frühjahr 1776 die Vokation als Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an der Stadtkirche zu Weimar zu teil ward. Sein Weggehen von Bückeburg folgte dem Tod seiner Gönnerin, der Gräfin Maria, fast auf dem Fuß. Am 2. Okt. 1776 traf H., der besten Erwartungen und des besten Willens voll, in Weimar ein. Da aber gleich im Beginn seiner Wirksamkeit ein Versuch gemacht wurde, ihm seine eigentliche Gemeinde zu entziehen, und H. nur durch die tapfere Erklärung, unter solchen Umständen lieber auf den Antritt seines Amtes verzichten zu wollen, das Feld behauptete, so war auch hier von Haus aus ein Argwohn und bitteres Gesühl wachgerufen. Herders amtliche Stellung wie persönliche Natur verboten ihm, an dem rauschenden Karneval in den ersten Regierungsjahren Karl Augusts Anteil zu nehmen. Obschon er rühmte: „Ich bin hier allgemein beliebt, bei Hofe, Volk und Großen, der Beifall geht ins Überspannte. Ich lebe im Strudel meiner Geschäfte einsam und zurückgezogener, als ich in Bückeburg nur je gelebt habe“, so blieben Mißhelligkeiten nicht aus. Da H. wahrzunehmen glaubte, dass in dem engeren Kreis des Herzogs eine grundliche Gleichgültigkeit, ja verächtliche Geringschätzung gegen Kirche und Schule vorherrsche, vertrat er nicht nur, was sein gutes Recht war, deren Interessen aufs kräftigste und eifrigste, sondern setzte sich in Opposition gegen nahezu alle Meinungen, Richtungen und Neigungen jenes Kreises. Und so gewiß Weimar eine große Verbesserung Bückeburg gegenüber heißen durfte, so fühlte sich H. von der Kleinlichkeit und Enge auch vieler weimarischer Verhältnisse gedruckt. Dennoch wirkte die veränderte Lage günstig auf ihn, und wenn er auch herkömmlich über mancherlei Bürden seines Amtes klagte, so nahm gleichwohl seine literarische Produktivität einen großen und immer gewaltigeren Ausschwung. Der Läuterungsprozeß,durch welchen sich die hervorragenden Repräsentanten des Sturms und Dranges in die Hauptträger der deutschen klassischen Literatur verwandelten, nahm auch bei H. zu Ausgang der 7oer Jahre seinen Anfang. Die hochbedeutsame philosophische Abhandlung „Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume“ (Riga 1778), die „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum“ (das. 1778) und die Herausgabe der „Lieder der Liebe“ (Leipz. 1778) sowie der längst vorbereiteten „Volkslieder“ (erst später von Johannes v. Müller „Stimmen der Völker in Liedern“ betitelt, das. 1778-79) waren seine ersten von Weimar aus in die Welt gesandten Publikationen. Die von der Münchener Akademie preisgekrönte Abhandlung „über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten“ (1778) galt einem neuen Nachweis, dass echte Poesie die Sprache der Sinne, erster mächtiger Eindrucke, der Phantasie und der Leidenschaft, daher die Wirkung der Sprache der Sinne allgemein und im höchsten Grad natürlich fei, eine Wahrheit, welche die mit umfassender Literaturkenntnis ausgewählten, lebendig nach- und anempfundenen, zum größten Teil vorzüglich übersetzten „Volkslieder“ eben weiten Kreisen zum Bewusstsein brachten.
Freundschaft mit Goethe
Einen höchst glücklichen Einfluss auf Herders weitere geistige Entwicklung übte seit den ersten 8oer Jahren das wiederhergestellte innige Verhältnis Herders und seines Hauses zu Goethe. H. trat in den regsten Gedankenaustausch wie in den lebendigsten persönlichen Verkehr zu dem jüngeren Freund, und während er seinen Weg unter dessen bewundernder Teilnahme weiter verfolgte, steigerte sich sein Gefühl für Schönheit und Klarheit des Vortrags, selbst sein poetisches Ausdrucksvermögen durch den reinen Formensinn Goethes. In seinem Familienleben ward H. durch die dauernde tiefinnige Liebe seines Weibes und die erfreulich heranwachsenden Kinder beglückt. Freilich brachten auch die Sorgen um die Bildung und Zukunft dieser Kinder, eine gewisse Großartigkeit seines Naturells, welche mit den nicht dürftigen, aber mäßigen Einnahmen nie völlig in Harmonie kam, und mancherlei Krankheiten Herders, für welche er schon seit 1777 auf Badereisen Erholung zu suchen hatte, dunkle Stunden und Tage auch in diese lichtesten Iahre von Herders Leben. In ebendiesen 80er Jahren entstand beinahe alles, was Herders immer genialem Wirken durch innere Reife und äußere Vollendung bleibende Nachwirkung sicherte. Bezogen sich die „Briefe, das Studium der Theologie betreffend“ (Weim. 1780-81, 4 Tle.) und eine Reihe von vorzüglichen Predigten auf Herders Amt und nächsten Beruf, so leitete das große, leider unvollendet gebliebene Werk „Vom Geiste der Ebräischen Poesie“ (Dessau 1782-83, 2 Tle.) von der Theologie zur Poesie und Litteratur hinüber. Aus der tiefsten Mit-Empfindung für die Naturgewalt, die Frömmigkeit und eigenartige Schönheit der hebräischen Dichtung wuchs ein Werk hervor, von welchem Herders Biograph (R. Haym) mit Recht rühmt, dass es „für Kunde und Verständnis des Orients Ähnliches geleistet wie Winckelmanns Schriften für das Kunststudium und die Archäologie“. 1785 aber begann H. die Herausgabe seines großen Hauptwerkes, der „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (Riga 1784-91, 4 Bde.), die endliche Ausführung eines Lieblingsplans, die breitere Ausführung von Gedanken, welche er längst in kleinern Schriften in die Welt gesandt hatte, und wiederum die energische Zusammenfassung alles dessen, was er über Natur und Menschenleben, die kosmische Bedeutung der Erde, über die Aufgabe des sie bewohnenden Menschen, „dessen einziger Daseinszweck auf Bildung der Humanität gerichtet ist, der alle niedrigen Bedürfnisse der Erde nur dienen und selbst zu ihr führen sollen“, was er über Sprachen und Sitten, über Religion und Poesie, über Wesen und Entwickelung der Künste und Wissenschaften, über Völkerbildungen und histo rische Vorgänge gedacht und (wie seine Gegner erinnerten) geträumt hatte. Die Aufnahme des Werkes entsprach dem großen Verdienst desselben. Gleichzeitig veröffentlichte H. die hochinteressante und nach den verschiedensten Richtungen bedeutende Sammlung seiner „Zerstreuten Blätter“ (Gotha 1785-97, 6 Tle.), in welcher eine Reihe der schönsten Abhandlungen und poetischen Übersetzungen die Geistesfülle und sittliche Grazie des Schriftstellers in herzgewin nender Weise offenbarte.
Italienreise, Zerwürfnis mit Goethe
Einen großen Abschnitt in Herders Leben bildete die Reise, welche er 1788-1789 nach Italien unternahm. Seine hypochondrische Reizbarkeil und mancherlei ungünstige Zufälle wirkten zusammen, ihn eigentlich nur in Neapel zum Vollgenuß dieser Reise kommen zu lassen; doch empfing er bedeutende und bleibende Eindrücke, die vielleicht noch günstiger gewirkt hätten, wenn ihn nicht in Italien eine abermalige ehrenvolle und vielverheißende Berufung nach Göttingen erreicht und die schwere Frage des Gehens oder Bleibens in Weimar ihn während der Rückreise gequält hätte. Goethe, von der Erwägung ausgehend, dass der Freund dem Kathederärger in Göttingen noch weniger gewachsen sein werde als dem Hof- und Konsistorialärger in Weimar, wirkte für Herders Bleiben und konnte im Einverständnis mit dem Herzog Tilgung der Herderschen Schulden, Gehaltsverbesserungen und mancherlei tröstliche Verheißungen für die Zukunft bieten. In seinen freundschaftlichen Erwägungen hatte er nur vergessen, dass in gewissen Lebenslagen und Gemütszuständen die bloße Veränderung eine Wohlthat und Notwendigkeit sein kann. H. ließ sich mit einem gewissen Widerwillen zum Bleiben bestimmen, beide Freunde sollten dieser Entscheidung nur kurze Iahre froh werden. Herders Gesundheitszustände waren nur vorübergehend gebessert, körperliche Leiden brachen ihm Lebenslust und Arbeitskraft; der fünfte Teil der „Ideen“ blieb ungeschrieben, und bereits die „Briefe zur Beförderung der Humanität“ (Riga 1793-97, 10 Sammlungen) trugen die Farbe seines verdüsterten Geistes. Die materiellen Sorgen im Herderschen Haus hatten sich leider nur vorübergehend gemildert, und die nur halb gerechtfertigten Ansprüche, welche H. und seine Gattin auf Grund der Abmachungen von 1789 erhoben, führten zu einem unheilbaren Bruch mit Goethe. H. hatte schon zuvor mit reizbarer Eifersucht die wachsende Intimität zwischen Goethe und Schiller betrachtet. So trat allmählich ein Zustand der Isolierung und kränklich verbitterten Beurteilung alles ihn umgebenden Lebens bei H. ein. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zur klassischen Kunst Goethes und Schillers fand, verstärkte und verschärfte H. gewaltsam und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten mehr und mehr hervortreten. Zwar gab er, sowie er auf neutralem Gebiet stand, auch jetzt noch Vorzügliches und Erfreuliches.
Spätwerk
Seine „Terpsichore“ (1795), welche den vergessenen neulateinischen Dichter Jakob Balde wieder einführte, seine „Christlichen Schriften“ (1796-1799, 5 Sammlungen), in denen das unbeirrteste Gefühl für den eigentlichen Kern des Christentums den schönsten und maßvollsten Ausdruck fand, seine Aufsätze für Schillers „Horen“ bewährten den alten Herderschen Geist. Aber voll grimmer Bitterkeit und dazu mit unzulänglichen Waffen bekämpften Herders „Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft“ (1799, 2 Tle.) und die „Kalligone“ (1800) die Philosophie Kants, voll absichtlicher Verkennung und unwürdiger Lobpreisung des Abgelebten und Halben richtete seine „Adrastea“ (das. 1801-1803, 6 Tle.) alle ihre versteckten Spitzen gegen die lebendige, schönheitsfreudige Dichtung Goethes und Schillers. Nur die Qual eines Zustandes, der ihn tief niederdrückte, und in dem er sich selbst bald als „dürrer Baum und verlechzte Quelle“, bald als „Packesel und blindes Mühlenpferd“ schilderte, konnte diese letzte verhängnisvolle Wendung seiner literarischen Tätigkeit entschuldigen. Letzte Erquickung bereitete ihm, dessen körperliche Kraft mehr und mehr erlag, die poetische Arbeit an seinen „Legenden“, an der Übertragung der Romanzen vom „Eid“ und an den dramatischen Gedichten: „Prometheus“ und „Admetus' Haus“. Die Annahme eines vom Kurfürsten von Bayern 1802 ihm verliehenen Adelsdiploms bereitete H. schweren Ärger, und seine endliche Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums kam zu spät, ihm Lebensmut zurückzugeben. In den Sommern 1802 und 1803 suchte er Heilung in den Bädern von Aachen und am Egerbrunnen, im Herbste des letztgenannten Jahrs erfolgte ein neuer heftiger Anfall seines unheilbaren Leberübels, dem er 18. Dez. 1803 erlag. Vor der Stadtkirche zu Weimar wurde ihm 1850 ein ehernes Standbild (modelliert von Schaller) errichtet. Johann Gottfried von Herder war einer der bislang 1500 ermittelten Illuminati-Mitgliedern.

Die Familie
Herders Gattin Maria Karoline, geborene Flachsland, geb. 28. Jan. 1750 zu Reichenweier im Elsaß, lebte nach ihres Vaters Tod bei ihrer Schwester in Darmstadt, wo sie H. kennen lernte, der sich 1773 mit ihr verheiratete. Nach Herders Tod ordnete sie dessen literarischen Nachlaß und schrieb: „Erinnerungen aus dem Leben Herders“ (hrsg. von J. G. Müller, Stuttg. 1820, 2 Bde.; neue Ausg.1830, 3Bde.). Sie starb 15. Sept. 1809 in Weimar. Der älteste Sohn, Wilhelm Gottfried v. H., geb. 1774 zu Bückeburg, studierte in Jena Medizin, ward 1800 Provinzialakkoucheur und 1805 Hofmedikus in Weimar, wo er 1806 starb. Er schrieb: „Zur Erweiterung der Geburtshilfe“ (Leipz. 1803) und nahm teil an der Herausgabe der Werke seines Vaters. Der zweite Sohn ist Sigismund August Wolfgang von Herder. Der dritte und jüngste, Emil Ernst Gottfried von Herder, war bis 1839 bei der Regierung für Schwaben und Neuburg thätig und starb als bayrischer Oberforst- und Regierungsrat 27. Febr. 1855 in Erlangen. Er gab in „Herders Lebensbild“ (Erlang. 1846-47, 3 Bde.) eine liebe volle Darstellung des Lebens und Wirkens seines Vaters. Ein Enkel Herders war der ehemalige weimarische Staatsminister Stichling.

Ideen
Humanitätsbegriff:
„(...) Betrachten wir die Menschheit, wie wir sie kennen, nach den Gesetzen, die in ihr liegen, so kennen wir nichts Höheres, als Humanität im Menschen; denn selbst wenn wir uns Engel oder Götter denken, denken wir sie uns nur als idealistische, höhere Menschen.“
„Ich wünschte, daß ich in das Wort Humanität alles fassen könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung zur Vernunft und Freiheit, zu feineren Sinnen und Trieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zur Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe; denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als Er selbst ist, in dem das Bild des Schöpfers unserer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte, abgedrückt lebt. (...)“
Einer der zentralen Begriffe im Zusammenhang mit Herder ist die Humanität, das „Streben nach der ursprünglichen Einheit des Menschengeschlechtes“ (Hans Dietrich Irmscher im Kölner Stadtanzeiger vom 25.8.1994).

Würdigung
Mannigfach rätsel- und widerspruchsvoll, ungleicher in seinen Leistungen als seine großen Zeitgenossen, aber unvergleichlich reich, vielseitig, voll höchsten Schwunges und schärfster Einsicht, eine Fülle geistigen Lebens in sich tragend und um sich erweckend, steht H. in der deutschen Literatur. In der großen Umbildung des deutschen Lebens am Ende des vorigen Jahrhunderts hat er mächtiger und entscheidender eingegriffen als einer, und die Spuren seines Geistes lassen sich in der Litteratur im engern Sinn, in Fachwissenschaften und Spezialzweigen, die aus seinen Anregungen hervorgegangen sind, überall nachweisen. Der verschwenderische Überreichtum seiner Gedanken, die Genialität seiner Einsichten und die wunderbarste Anempfindung für das echt Poetische offenbaren sich in beinahe allen seinen Werken; die Forderung der „Humanität“, der Heranbildung und Läuterung zum vergöttlichten Menschlichen, einem Lebens- und Bildungsideal, dem noch ganze Jahrhunderte nachringen können, ist der durchgehende Grundgedanke in der Vielheit und Mannigfaltigkeit seiner Schriften. Bei allen seinen Gaben war ihm die künstlerische Gestaltungskraft versagt, so dass er als Dichter nur in einzelnen glücklichen Momenten und auf dem Gebiet der didaktischen Poesie zu wirken vermochte. Die Verbindung seines eignen ethischen Pathos mit Stimmungen und Gefühlen, welche ihm aus der Dichtung der verschiedensten Zeiten und Völker aufgingen, war nie ohne Reiz; sein Verdienst als poetischer Übersetzer, als Aneigner und Erläuterer fremden poetischen Volksgeistes kann kaum zu hoch angeschlagen werden. Die große Zahl von Herders poetischen Übertragengen aus den verschiedensten Sprachen, ihre Auswahl und die Resultate, welche H. jedesmal aus ihnen zog, haben einer allgemeinen, über die „Gelehrtengeschichte“ der vorausgegangenen akademischen Perioden hinauswachsenden Literaturgeschichte den Boden bereitet. Neben den „Stimmen der Völker in Liedern“, dem „Cid“, den Epigrammen aus der griechischem Anthologie, den Lehrsprüchen aus Sadis „Rosengarten“ und der ganzen Reihe anderer Dichtungen und poetischer Vorstellungen, welche Herders anempfindender Geist für die deutsche Literatur gewann, stehen jene morgenländischen Erzählungen, jene Paramythien und Fabeln, die H. im Wiedererzählen benutzte, Momente seiner eignen sittlichen Anschauung, seiner Humanitätslehre beizugesellen, und die hierdurch wieder durch ihre Vortragsweise zu seinem geistigen Eigentum werden. Höher aber als der Dichter steht überall der Prosaiker H., der große Kulturhistoriker, Religionsphilosoph, der feinsinnige Ästhetiker, der im Sinn Lessings und doch in völlig anderer Erscheinung produktive Kritiker, der glänzende Essayist, der gehaltreiche und in der Form anmutvolle Prediger und Redner. Es ist Herders eigenstes Mißgeschick gewesen, dass die großen Resultate seines Erkennens und Strebens rasch zum Gemeingut der Bildung, seine Anschauungen zu Allgemeinanschauungen wurden, so dass es erst der historischen und kritischen Zurückweisung auf die Genialität, die seelische Tiefe und den verschwenderischen Gedankenreichtum der Herderschen Schriften bedurfte, um das größere Publikum zu denselben zurückzuführen.
Ihm zu Ehren wurde seine Büste in der Walhalla aufgestellt.
Als Theologe erwarb er sich großes Verdienst um eine geistige, von dem Buchstaben des Dogmas freie Auffassung des Christentums; der Heiligen Schrift widmete er literarhistorische und historisch-antiquarische Studien, die sie aus ihrer Zeit und ihrem Volke verstehen lehrten [...].

Brockhaus (1908), Bd.9, S. 33 (normalisiert)
Eine der bleibenden Leistungen Herders war die zuerst in seiner Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit formulierte Erkenntnis, daß die Mächte der Geschichte wie Nationen, Epochen u.a. jeweils ihren eigenen Wert in sich tragen und unabhängig von der Gegenwart des Betrachters beurteilt werden müssen. Die im Zeitalter der Aufklärung bedeutende Idee der Toleranz wurde damit von Herder auf andere Völker und Geschichtsepochen angewandt. In der Literaturgeschichte führte ihn seine Erkenntnis zu dem vielzitierten Ausspruch über Shakespeare, in Griechenland sei ein Drama entstanden, wie es im Norden nicht hätte entstehen können. Herder legte damit den Grundstein zum Historismus.

Werke
Fragmente über die neuere deutsche Literatur, Riga 1766-67.
Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772)
Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter (1773)
Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker (1773)
Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken (1778/79 Erst in der 2. Auflage 1807 unter dem Titel Stimmen der Völker in Liedern )
Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (4 Teile 1784/91)
Briefe zu Beförderung der Humanität; zehn Sammlungen (1791-1797)
Terpsichore, Lübeck 1795
Christliche Schriften, Riga 1796-1799, 5 Sammlungen.
Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1799, 2 Tle.
Kalligone, Leipzig 1800.

Literatur zu Herder:
Michael Zaremba: „Johann Gottfried Herder - Prediger der Humanität“ (2002); Biografie, die erstmals den gesamten Briefwechsel berücksichtigt ISBN 3-412-03402-9
Herder, 1) Johann Gottfried von (http://susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/meyers/servlet/showSeite?SeiteNr=0413&BandNr=8&textmode=true), in: Meyers Konversationslexikon, 4.Aufl. 1888/89, Bd.8, S.413.


Weblinks
http://projekt.gutenberg.de/autoren/herder.htm -- E-Texte beim Projekt Gutenberg-DE
http://www.johann-gottfried-herder.net/ -- International Herder Society / Internationale Herder-Gesellschaft
Kommentierte Linksammlung (http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_fgh/herder.html)
http://www.johann-gottfried-herder.de/ -- ein Portal, das Links auf biografische Artikel, auf Bilder und auf einige Werke des Schriftstellers setzt


s.a. Editionsgeschichte der Werke Johann Gottfried von Herders, Triebkraft und Widerspruch

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