Siegfried Bernfeld 1892 - 1953
Siegfried Bernfeld war ein von der Jugendbewegung beeinflusster Reformpädagoge und Psychoanalytiker.
Leben
Bernfeld wuchs als Sohn des jüdischen Tuchgroßhändlers Isidor Bernfeld und seiner Frau Hermine geb. Schwarzwald in Wien auf, wo er 1911 das Gymnasium beendete und anschließend an der Universität bis 1915 Biologie, Zoologie, Geologie, Pädagogik, Psychologie, Philosophie und Soziologie studierte. Er war sowohl in der jüdisch-liberal-bürgerlichen Wiener Jugendbewegung aktiv als auch sozialistisch beeinflusst. Er war mit den reformpädagogischen Ideen Gustav Wynekens vertraut. Sein Studium beendet er mit seiner Promotion Über den Begriff der Jugend. 1914 hatte Bernfeld für ein Semester an der Universität Freiburg im Breisgau bei Walter Benjamin studiert.
1917-1921 war er leitend im Zionistischen Zentralrat für West-Österreich tätig: 1919 leitete er ein Projekt als praktisches pädagogisches Experiment, er arbeitete mit durch den ersten Weltkrieg entwurzelten jüdischen Straßenjugendlichen im Wiener Kinderheim Baumgarten. 1921 war Bernfeld in Heidelberg für einige Monate Mitarbeiter Martin Bubers Zeitschrift Der Jude. Nach seiner Rückkehr nach Wien konzentrierte er sich auf die Psychoanalyse. Ab 1922 entwickelte er für das Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung Kurse, in denen Erziehungsfragen psychoanalytisch bentwortet wurden.
1925–1932 arbeitete er in der Psychoanalytischen Vereinigung in Berlin mit Kurt Lewin zusammen. Außerdem lehrte an der Deutschen Hochschule für Politik über Jugendfürsorge und engagierte sich im Bund Entschiedener Schulreformer. Mit Wilhelm Reich stritt er sich über Psychoanalyse und Marxismus.
1934 floh Bernfeld mit seiner Familie vor dem Nationalsozialismus von Wien über Frankreich in die USA, wo er sich in San Francisco in Kalifornien niederließ. Dort war er am Aufbau der Psychoanalytischen Vereinigung beteiligt und arbeitete gemeinsam mit seiner Frau Suzanne Cassirer an Studien über Freuds Biographie und Theorie.
In San Francisco starb er am 2. April 1953.
Verheiratet war Bernfeld dreimal: Bis 1926 mit der Marxistin Anne Salomon, anschließend mit der Schauspielerin Elisabeth Neumann und bis zu seinem Tode mit der Psychoanalytikerin Suzanne Cassirer.
Werk und Wirken
Bernfeld gehörte zur ersten Generation der Psychoanalytiker. Er ist ein Mitbegründer der modernen Jugendforschung und der Psychoanalytischen Pädagogik. Grundlage seiner theoretischen und praktischen Arbeit ist der Zusammenhang zwischen Psychoanalyse und Sozialismus in kollektiver Selbstregulierung. Dabei stellt er Überlegungen über die Zuwendung des Pädagogen und die Grenzen der Pädagogik an.
Bernfelds Sisyphos von 1925 gilt in der Erziehungwissenschaft seit seinem Erscheinen bis heute als tiefer Einschnitt in deren Theoriegeschichte. Bernfeld kritisiert darin die bis in die 1960er Jahre hinein dominante Geisteswissenschaftliche Pädagogik, namentlich als führender Vertreter derselben Eduard Spranger. Bernfeld formulierte die schon lange allgemein anerkannte Einsicht, dass der Erfolg von Bildung und Erziehung eben nicht allein durch die Erziehbarkeit der Kinder abhängt, sondern ganz maßgeblich von den materiellen Voraussetzungen sowie von der historischen Verfasstheit des Bildungswesens. Mit anderen Worten könnte man diese Position als antikapitalistische Kritik an der Reformpädagogik bezeichnen.
Während die Streitschrift in etlichen Zeitschriften rezensiert wurde, so wurde sie beispielsweise in der führenden Zeitschrift der Kritisierten Die Erziehung einfach ignoriert. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk in der Bundesrepublik Deutschland in einigen wichtigen Werken nie explizit erwähnt. Vom Außenseiter zum Klassiker schaffte es Bernfeld durch kritische Erziehungswissenschaftler und die Antiautoritäre Erziehung nach 1968. Wichtig dafür waren nicht zuletzt die Zeitschrift Das Argument sowie Bücher von Klaus Mollenhauer und Hans-Jochen Gamm. (siehe dazu Lohmann)
Bernfeld wurde auch für die Kibbuzerziehung bedeutsam.
Bernfeld baut auf die Psychoanalyse von Freud und den Marxismus auf. Seine Theorie beruht auf den Einstellungen der beiden.
Literatur
Ingrid Lohmann: Siegfried Bernfeld: Sisysphos oder die Grenzen der Erziehung. Der geheime Zeifel der Pädagogik. In: Klaus-Peter Horn, Christian Ritzi (Hrsg.): Klassiker und Außenseiter. Pädagogische Veröffentlichungen des 20. Jahrhunderts. Hohengehren: Schneider Verlag 2001, S. 51-63. Online-Version
Leben
Bernfeld wuchs als Sohn des jüdischen Tuchgroßhändlers Isidor Bernfeld und seiner Frau Hermine geb. Schwarzwald in Wien auf, wo er 1911 das Gymnasium beendete und anschließend an der Universität bis 1915 Biologie, Zoologie, Geologie, Pädagogik, Psychologie, Philosophie und Soziologie studierte. Er war sowohl in der jüdisch-liberal-bürgerlichen Wiener Jugendbewegung aktiv als auch sozialistisch beeinflusst. Er war mit den reformpädagogischen Ideen Gustav Wynekens vertraut. Sein Studium beendet er mit seiner Promotion Über den Begriff der Jugend. 1914 hatte Bernfeld für ein Semester an der Universität Freiburg im Breisgau bei Walter Benjamin studiert.
1917-1921 war er leitend im Zionistischen Zentralrat für West-Österreich tätig: 1919 leitete er ein Projekt als praktisches pädagogisches Experiment, er arbeitete mit durch den ersten Weltkrieg entwurzelten jüdischen Straßenjugendlichen im Wiener Kinderheim Baumgarten. 1921 war Bernfeld in Heidelberg für einige Monate Mitarbeiter Martin Bubers Zeitschrift Der Jude. Nach seiner Rückkehr nach Wien konzentrierte er sich auf die Psychoanalyse. Ab 1922 entwickelte er für das Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung Kurse, in denen Erziehungsfragen psychoanalytisch bentwortet wurden.
1925–1932 arbeitete er in der Psychoanalytischen Vereinigung in Berlin mit Kurt Lewin zusammen. Außerdem lehrte an der Deutschen Hochschule für Politik über Jugendfürsorge und engagierte sich im Bund Entschiedener Schulreformer. Mit Wilhelm Reich stritt er sich über Psychoanalyse und Marxismus.
1934 floh Bernfeld mit seiner Familie vor dem Nationalsozialismus von Wien über Frankreich in die USA, wo er sich in San Francisco in Kalifornien niederließ. Dort war er am Aufbau der Psychoanalytischen Vereinigung beteiligt und arbeitete gemeinsam mit seiner Frau Suzanne Cassirer an Studien über Freuds Biographie und Theorie.
In San Francisco starb er am 2. April 1953.
Verheiratet war Bernfeld dreimal: Bis 1926 mit der Marxistin Anne Salomon, anschließend mit der Schauspielerin Elisabeth Neumann und bis zu seinem Tode mit der Psychoanalytikerin Suzanne Cassirer.
Werk und Wirken
Bernfeld gehörte zur ersten Generation der Psychoanalytiker. Er ist ein Mitbegründer der modernen Jugendforschung und der Psychoanalytischen Pädagogik. Grundlage seiner theoretischen und praktischen Arbeit ist der Zusammenhang zwischen Psychoanalyse und Sozialismus in kollektiver Selbstregulierung. Dabei stellt er Überlegungen über die Zuwendung des Pädagogen und die Grenzen der Pädagogik an.
Bernfelds Sisyphos von 1925 gilt in der Erziehungwissenschaft seit seinem Erscheinen bis heute als tiefer Einschnitt in deren Theoriegeschichte. Bernfeld kritisiert darin die bis in die 1960er Jahre hinein dominante Geisteswissenschaftliche Pädagogik, namentlich als führender Vertreter derselben Eduard Spranger. Bernfeld formulierte die schon lange allgemein anerkannte Einsicht, dass der Erfolg von Bildung und Erziehung eben nicht allein durch die Erziehbarkeit der Kinder abhängt, sondern ganz maßgeblich von den materiellen Voraussetzungen sowie von der historischen Verfasstheit des Bildungswesens. Mit anderen Worten könnte man diese Position als antikapitalistische Kritik an der Reformpädagogik bezeichnen.
Während die Streitschrift in etlichen Zeitschriften rezensiert wurde, so wurde sie beispielsweise in der führenden Zeitschrift der Kritisierten Die Erziehung einfach ignoriert. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk in der Bundesrepublik Deutschland in einigen wichtigen Werken nie explizit erwähnt. Vom Außenseiter zum Klassiker schaffte es Bernfeld durch kritische Erziehungswissenschaftler und die Antiautoritäre Erziehung nach 1968. Wichtig dafür waren nicht zuletzt die Zeitschrift Das Argument sowie Bücher von Klaus Mollenhauer und Hans-Jochen Gamm. (siehe dazu Lohmann)
Bernfeld wurde auch für die Kibbuzerziehung bedeutsam.
Bernfeld baut auf die Psychoanalyse von Freud und den Marxismus auf. Seine Theorie beruht auf den Einstellungen der beiden.
Literatur
Ingrid Lohmann: Siegfried Bernfeld: Sisysphos oder die Grenzen der Erziehung. Der geheime Zeifel der Pädagogik. In: Klaus-Peter Horn, Christian Ritzi (Hrsg.): Klassiker und Außenseiter. Pädagogische Veröffentlichungen des 20. Jahrhunderts. Hohengehren: Schneider Verlag 2001, S. 51-63. Online-Version
riesemann - 7. Dez, 18:54
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