Donnerstag, 17. Februar 2005

Adler, Max 1873-1937

Max Adler (* 15. Jänner 1873 in Wien; † 28. Juni 1937 in Wien) war ein österreichischer Soziologe. Er war Vertreter des Austromarxismus.
Bedeutender Vetreter der marxistischen Arbeiterbildung in der Weimarer Zeit; außerordentliche Professur an der Wiener Universität.

Sonntag, 6. Februar 2005

Mead, George Herbert 1863-1931

Mead studierte u.a. in Leipzig und Berlin und war von 1894 bis zu seinem Tode Professor für Philosophie und Sozialpsychologie an der Universität Chicago. Mead zählt zu den amerikanischen Pragmatisten und Vertretern der Schule von Chicago. Meads Schüler Charles W. Morris veröffentlichte 1934 auf der Basis von Vorlesungsmitschriften von Studierenden das später viel beachtete Werk: "Mind, Self and Society from the Standpoint of a Social Behaviorist". Mead selbst hat seine Theorie nie systematisch niedergelegt. Die Entwicklung des Symbolischen Interaktionismus durch seinen Schüler Herbert Blumer geht auf Meads Arbeiten zur Theorie der symbolvermittelten Kommunikation zurück, die Mead in jener Vorlesung über Sozialpsychologie, die er von 1900 bis 1930 in Chicago hielt, ausgearbeitet hat.

In "Mind, Self and Society" hat sich Mead in erster Linie mit zwei Fragen auseinandergesetzt:
Wie entsteht Bewusstsein im Laufe der Phylogenese (stammesgeschichtlichen Entwicklung)?
Wie entsteht Identität im Laufe der Ontogenese (individualbiographischen Entwicklung)?
In Abgrenzung zum deutschen Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel), den Mead "solipsistischen Spuk" schimpft, versteht Mead - inspiriert von der Evolutionstheorie Darwins - das Bewusstsein des Menschen als evolutionäres Produkt der Auseinandersetzung des Organismus mit seiner Umwelt und nicht als Gabe, die dem Menschen etwa in die Wiege gelegt wäre und in Aprioris der Erkenntnis zu beschreiben wäre. Dabei setzt man, so Mead, das zu Erklärende bereits voraus Gegen den Idealismus wandte sich auch die moderne Psychologie: behavioristische Psychologie (John B. Watson), physiologische Psychologie (Wilhelm Wundt), funktionalistische Psychologie (bwz. Pragmatismus, John Dewey), frühe Sozialpsychologie (McDougall) und Psychoanalyse (Sigmund Freud).
All diese Theorien haben Meads Schaffen geprägt, aber er konnte bei der Formulierung seiner anthropologischen Theorie zur Genese von Bewusstsein ganz besonders an Dewey - ein guter Freund Meads - anknüpfen und hat sich wiederholt sehr ausdrücklich von Watson abgegrenzt. Wie Dewey versteht er Bewusstsein als ein Produkt der Kooperation von Individuen, das der Behaviorismus, der jegliches Handeln in unverbundene Reiz-Reaktions-Phasen zerlegt, gar nicht fassen kann. Handeln versteht der Behaviorismus in den Begriffen Reiz, Reaktion und bedingte Konditionierung (später erweitert durch Skinner um die operante Konditionierung). Der Sozialbehaviorismus Meads dagegen sieht die Entwicklung von Bewusstsein einhergehen mit der Entwicklung signifikanter Symbole (Sprache).
Symbole entstehen aus der Optimierung der Kooperation von Subjekten: Der Mensch realisiert, dass sein Verhalten der Reiz für das Verhalten anderer ist. Indem er sein Verhalten kontrolliert, kann er das der anderen kontrollieren, so dass sich Kooperationsprozesse optimieren lassen. Diese Optimierung ist nur möglich über die Sprache, denn nur die stimmliche Geste können wir ebenso wahrnehmen wie unser Gegenüber. Daher können wir mit unserer Geste die Reaktion des Gegenübers verbinden, der Sinn unserer Geste liegt in der Reaktion des Anderen - unsere Geste ist damit eine signifikante Geste, d.h.: ein (signifikantes) Symbol. Über Symbole können wir unser Verhalten kontrollieren. Damit entsteht auch die Möglichkeit zum Selbstbewusstsein: Indem man sein Verhalten aus der Perspektive anderer kontrollieren kann, ist man aus dem Status des nur handelnden Subjekts entlassen. Man kann sich selbst zum Objekt werden aus der Perspektive der anderen mittels der Sprache, man kann sich in die Lage der Anderen versetzen, um sein Verhalten zu beurteilen. Dies ist notwendig für das Selbstbewusstsein, weil der Mensch sich als Subjekt seines Handelns nicht erfahren kann: Das Erleben des eigenen Erlebens erlebt man nicht aus der Perspektive des gerade Erlebenden.
Mead nennt diese Phase der Reflexion das ME. Im ME sieht man sich aus der Perspektive des (generalisierten) Anderen. Das Handeln ist durch die eigene Reaktion auf das ME geprägt, durch die verinnerlichten Erwartungen der Anderen. Jene Phase des Handelns, der Reaktion des Subjekts auf die Hereinnahme der Haltungen des (generalisierten) Anderen nennt Mead I. I und ME bilden die Einheit der Differenz des SELF (Selbst, Identität).
Die Identität bildet sich individualbiographisch durch das Durchleben des Kindes zweier Spielphasen: PLAY und GAME. In diesen lernt das Kind die Haltung anderer zu übernehmen, sein Verhalten nach deren Erwartungen abzustimmen. Zunächst im freien und naiven Spiel mit sich selbst (PLAY), dann im organisierten Wettkampf mit vielen Anderen (GAME). Das Kind übt eine Selbstkontrolle auf sich aus und unterliegt damit der sozialen Kontrolle der Gemeinschaften, denen es angehört und nach denen sich die soziale Struktur der Identität (ME) ausgebildet hat. Die unterschiedlichen Ansprüche verschiedener Gruppen zu koordinieren, das heißt verschiedene verinnerlichte Gruppenhaltungen zu synthetisieren, also die Einheit der Differenz von MEs herzustellen, ist eine der Aufgaben der Identität. Aus den daraus entstehenden moralischen Konflikten entwickelt Mead seine Theorie der Ethik und des Sozialen Wandels, die jedoch weit weniger beachtet wurden als seine Theorie der symbolvermittelten Kommunikation und der Entstehung von Identität und Bewusstsein.

Werke
Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1968
Sozialpsychologie. Luchterhand-Verlag, Neuwied 1969
Gesammelte Aufsätze. 2 Bände. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980 - 1983

Literatur
Harald Wenzel: George Herbert Mead zur Einführung. Junius-Verlag, Hamburg 1990. ISBN 3-88506-855-9
Hans Joas: Praktische Intersubjektivität: die Entwicklung des Werkes von George Herbert Mead. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1989. ISBN 3-518-28365-0

Freitag, 28. Januar 2005

Einstein zum Reinschnuppern

Für ein Ausnahmegenie einmal eine Ausnahme:

hier ein paar interessante Links:
https://jupe.twoday.net/topics/einstein/

Ist - so glaube ich - für alle was...
Euer Riesemann

Goethe, Johann Wolfgang von 1749-1832

Goethe ist als Dichter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Staatsmann der bekannteste Vertreter der Weimarer Klassik. Als Verfasser von Gedichten, Dramen und Prosa-Werken, gilt er als großer deutscher Dichter und ist eine herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur.

Johann Wolfgang von Goethe
Er war verheiratet mit Christiane von Goethe, geborene Vulpius, sein einziger Sohn war August von Goethe. Seine berühmten letzten Worte sollen „Mehr Licht!“ gewesen sein.

Leben
Herkunft und Jugend (1749-1765)
Goethes Vater war der Kaiserliche Rat Johann Caspar Goethe (* 1710; † 1782). Er hatte in Leipzig Rechtswissenschaften studiert, am Reichskammergericht in Wetzlar gearbeitet, Reisen nach Rom und Paris unternommen, und sich schließlich in seiner Vaterstadt Frankfurt niedergelassen, wo die Familie in einem geräumigen Haus am Großen Hirschgraben lebte. Er ging dort ganz seinen Neigungen und Interessen nach; so widmete er sich der Zusammenstellung eines Naturalienkabinetts und der Sammlung von Gemälden.
Goethes Mutter, Katharina Elisabeth Goethe (* 1731; † 1808), war eine geborene Textor. Die Tochter des Frankfurter Bürgermeisters hatte mit 17 Jahren den damals 38-jährigen Rat Goethe geheiratet.
Außer der am 7. Dezember 1750 geborenen Schwester Cornelia Friderike Christiana starben alle anderen Geschwister früh. 1758 erkrankte Goethe an den Blattern (Pocken).
Goethe wurde von seinem Vater und auch durch Privatlehrer unterrichtet, außerdem erhielt er Unterricht im Reiten und Fechten.
Schon früh interessierte er sich für die Literatur, wobei er sein Augenmerk zunächst auf Friedrich Gottlieb Klopstock (damals hochmodern!) und Homer richtete. Außerdem bewarb er sich mit 14 Jahren um die Mitgliedschaft in der Arkadischen Gesellschaft zu Phylandria. Auch begeisterte er sich für das Theater - so besuchte er während der französischen Besetzung 1759 häufig das französische Theater im Junghof. 1763 erlebte er ein Konzert des damals 7 Jahre alten Mozart.
Am 30. September 1765 verließ er Frankfurt, um in Leipzig das Studium der Rechte aufzunehmen.
Leipzig (1765-1768)
Von 1765 bis 1768 studierte Goethe in Leipzig. Er hörte dort die Poetikvorlesung von Christian Fürchtegott Gellert und nahm an dessen Stilübungen teil. Auch nahm er Zeichenunterricht bei Adam Friedrich Oeser, dem Direktor der Leipziger Akademie. Er verliebte sich in Käthchen Schönkopf und besang diese Liebe in heiter-verspielten Versen in der Tradition des Rokoko (Gedichtzyklus Annette). Auerbachs Keller und die dort beheimatete Sage von Fausts Fassritt 1525 beeindruckten ihn so sehr, dass er später Auerbachs Keller als einzigen konkret existierenden Ort in sein Drama Faust I aufnahm. - Ein Blutsturz zwang ihn, das Studium abzubrechen und am 28. August 1768 nach Frankfurt zurückzukehren.
Frankfurt/ Straßburg (1768-1770)
Es folgt eine eineinhalbjährige, von manchen Rückfällen unterbrochene Genesungszeit. Während der Rekonvaleszenz wird er liebevoll von Mutter und Schwester umsorgt. Eine Freundin der Mutter, Susanne von Klettenberg, bringt ihn mit pietistischen Vorstellungen in Berührung.
Im April 1770 verlässt er Frankfurt, um dem Wunsch seines Vaters entsprechend in Straßburg sein Studium zu beenden. In Straßburg lernte er Friederike Brion, eine Pfarrerstochter, kennen. Ihr widmete er einige Gedichte darunter z.B. „Willkommen und Abschied“, „Sesenheimer Lieder“ und „Heideröslein“.
Wetzlar (1772)
Am 10. Mai 1772 ging er zum Abschluss der juristischen Ausbildung als Referendar an das Reichskammergericht in Wetzlar. Er war vom 25. Mai desselben Jahres an Rechtspraktikant am Reichskammergericht. Seine Großtante, Frau Hofrat Susanne Cornelia Lange, die in Wetzlar lebte, vermittelte ihm ein Haus, in dem er zusammen mit Jakob Heinrich Born, einem Bekannten aus der Leipziger Studienzeit und Sohn des Bürgermeisters von Leipzig, wohnte. Nach der unglücklichen Liebe zu Charlotte Buff verließ Goethe Wetzlar am 11. September 1772 wieder.
Er hatte gerade sein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und wollte auf Drängen seines Vaters Kenntnisse im Kameralrecht und in der Prozeßführung sammeln. Goethes Vater hatte große Pläne mit seinem einzigen Sohn: Sein Ziel war es, ihn zum Schultheißen in Frankfurt zu machen. Daher hatte er seinen Sohn schon früh mit Rechtsbüchern vertraut gemacht und ihn viel auswendig lernen lassen.
Es war nicht so, daß Goethe das Praktikum am Reichskammergericht unwichtig gewesen wäre. Er war durchaus interessiert am Erscheinungsbild des Reichskammergerichtes, da er hoffte, sich daraus ein Bild über die Zustände im Reich machen zu können. Er nahm Veränderungen in der Rechtspraxis wahr und konnte diese als Ganzes überschauen, war sich aber der Lückenhaftigkeit seiner Fachkenntnisse beim Studienabschluß bewusst. Goethe wollte im Sinne von fortschrittlicher, humaner Rechtsprechung und Vollzug und systematisch strukturierten und philosophisch begründeten Gesetzen unter Berücksichtigung von psychischen und sozialen Faktoren arbeiten, das läßt sich aus den erhaltenen 28 Akten des Advokaten Goethe ableiten.
Dennoch besuchte er das Reichskammergericht sehr selten und nutzte es kaum als Ausbildungsmöglichkeit. Denn zum einen war er gegenüber der Rechtspraxis skeptisch wegen der Korruption, die er als Ausdruck der zerrütteten Verhältnisse in Deutschland sah. Diese hatte sein Vater schon, als Goethe noch ein Kind war, angeprangert. Zum anderen mißtraute er dem Reichskammergericht und den Visitationen zwischen 1767 und 1776. Er glaubte wie viele andere junge Juristen, mit denen er sich im Gasthof »Zum Kronprinzen« traf, nicht, daß diese etwas verbessern könnten. Außerdem behauptet Goethe später, als er Dichtung und Wahrheit niederschreibt, es habe sich schon in seiner Kindheit gezeigt, daß er kaum aus Interesse an den Rechtswissenschaften Jurist werden wollte, sondern vielmehr aus Reiselust.
Nach dem Suizid des Gesandtschaftssekretärs Karl Wilhelm Jerusalem Ende Oktober 1772 kehrte Goethe vom 6. bis 10. November 1772 noch einmal für kurze Zeit nach Wetzlar zurück. Jerusalem war ein entfernter Bekannter von Goethe. Sein Suizid war für Goethe der Auslöser, seinen Roman Die Leiden des jungen Werthers zu schreiben. Darin verbindet er die eigenen Erlebnisse mit seiner angebeteten Charlotte Buff mit dem Schicksal Jerusalems, das er in Gesprächen mit Personen, die kurz vor seinem Tod noch mit ihm zu tun gehabt hatten, ergründete. Der Roman wird ein großer Erfolg und gilt als literarische Initialzündung der Empfindsamkeit und der Sturm und Drang-Literatur.
Weimar (1775-1805)
Goethes Wohnhaus in Weimar
In dem Goethehäuschen auf dem Kickelhahn bei Ilmenau schrieb Goethe 1780 sein Gedicht "Wanderers Nachtlied"1776 tritt Goethe als Geheimer Legationsrat in den Staatsdienst des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach ein und bekam weitere politische Aufgaben. Er wohnte 6 Jahre in seinem „Gartenhaus“ (Goethe-Haus), das der Herzog ihm schenkte und dessen umliegenden Garten er als Parkgarten selbst plante und gestaltete. Diesen „Garten am Stern“ bezeichnete er später in seinen Tagebüchern als „untern Garten“. Maßgeblich beteiligt war er auch an der Planung des Landschaftsgartens an der Ilm. Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht, ich könnte glücklich sein schreibt er in seinem Tagebuch.
Er lernte die Hofdame Charlotte von Stein kennen. 10 Jahre lang verband die beiden eine innige Beziehung.
1779 wird er zum Geheimrat befördert. Die Entscheidung, das Angebot des acht Jahre jüngeren Herzog Carl August in dem Weimarer Mini-Staat ein wichtiges Amt anzunehmen, war eine für politische Reformtätigkeit. Goethe war innerhalb des Kabinetts verantwortlich für eine wachsende Zahl von Zuständigkeiten. Politik blieb - auch nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst - ein Feld, dem er seine stetige Aufmerksamkeit schenkte.
In diesen Jahren begann er sich intensiv mit der Naturwissenschaft zu beschäftigen.
Am 23. Juni 1780 wird er als Lehrling in die Weimarer Loge Amalia aufgenommen. Der Meister vom Stuhl, Staatsminister Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch sah Goethe mit Skepsis und übergab daher den Hammer an Johann Joachim Christoph Bode. Er dachte sogar wegen Goethes Ernennung zum Geheimrat an Rücktritt von seinem Amt als Staatsminister. Zum Gesellen wird Goethe am 23. Juni 1782 befördert, am 2. März 1782 zum Meister erhoben. Wenige Wochen nach dieser Erhebung musste die Loge Amalia ihre Arbeit einstellen, da es in der Freimaurerei in dieser Zeit zu Verwürfnissen kam.
Der Herzog vermietete ihm 1782 dann ein Haus am Frauenplan, das er ihm 1792 schließlich schenkte. Hier lebte Goethe bis zu seinem Tod. Auch den Garten am Frauenplan gestaltete der Dichter selbst. (1885, nach dem Tod des letzten Enkels und Erben Goethes wurde das Haus am Frauenplan zum Nationalmuseum erklärt. Da nach dem zweiten Weltkrieg sehr viel zerstört wurde, kam Karl Foerster nach Weimar und gestaltete den Garten neu).
Aufnahme in den Illuminatenorden am 11. Februar 1783 unter dem Namen „Abaris“, geworben von Johann Joachim Christoph Bode.
1783-1785 Reise in den Harz. 1784 entdeckte er den Zwischenkieferknochen am menschlichen Schädel.
Reise nach Italien (1786-1788)
Goethe in Italien1786 verließ Goethe fluchtartig die heimischen Gefilde. Seinen Aufenthalt in Italien beschreibt Goethe in der Italienischen Reise. In Rom freundete er sich 1786 mit Heinrich Tischbein an, mit dem er 1787 unter anderem nach Neapel reiste. Im selben Jahr entstand auch das berühmte Gemälde Tischbeins, das Goethe als Reisenden in der römischen Campagna zeigt (siehe abgebildetes Detail). Auch Angelika Kauffmann lernte er dort kennen.
1788 bis 1805
Etwa ab dem 40. Lebensjahr muss Goethe weitgehend unbeweglich und steif gewesen sein. Er litt unter schweren Bandscheibenschäden und Verwachsungen mehrerer Brustwirbel.
1798 schrieb er die Elegie „Die Metamorphose der Pflanzen“.
Nach 1805
1814 reist er in die Rhein- und Maingegenden, 1817 beginnt er die „Geschichte seines botanischen Studiums“ „Zeitschrift Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie“ (bis 1824).
Freundschaft mit Kaspar Maria von Sternberg und Karl Friedrich Zelter.
Goethe starb am 22. März 1832 und wurde am 26. März in der Fürstengruft bestattet.

Nachkommen
Johann Wolfgang von Goethe und seine Frau Christiane hatten fünf Kinder. Außer August, dem ältesten, sind alle tot geboren worden oder früh gestorben. August hatte drei Kinder: Walther Wolfgang (*1818), Wolfgang Maximilian (*1820) und Alma Sedina von Goethe (*1827). August starb zwei Jahre früher als Goethe selbst. Seine Frau Ottilie von Goethe gebar nach seinem Tod ein weiteres (nicht von August stammendes) Kind namens Anna Sybille, welches nach einem Jahr starb. Alma starb 1844 mit 16 Jahren, Wolfgang starb 1883 und Walther 1885. Alle waren unverheiratet und so starben die direkten Nachkommen von Johann Wolfgang von Goethe 1885 aus. Wolfgang und Walther, der 1859 Freiherr wurde, vermachte den Nachlass der Großherzogin Sophie und dem Staat Sachsen-Weimar-Eisenach.

Stammbaum Goethes
Friedrich Georg (*1657) (weitere 8 jüngere Geschwister)
|
Johann Kaspar G.
+ Katharina Elisabeth Textor
______________|________________
| | |
Johann Wolfgang Cornelia weitere früh Gestorbene
+ Christiane Vulpius |
|_______________ *
| |
August vier früh Gestorbene
+ Ottilie von Pogwisch
|_______________________________
| | |
Walther Wolfgang Alma
(*) Cornelia hatte zwei Töchter: Luise Maria Anna (1774-1811) und Julie (1777-1793; nur 16 Jahre). Luise hatte neun Kinder mit Ludwig Nicolovius. Vier davon waren früh gestorben oder kinderlos. Die anderen fünf Kinder hatten zahlreiche Nachkommen, wovon heute noch einige leben.
Goethes Genealogie wird umfassend in der Literatur behandelt. Eine umfangreiche Homepage gibt es unter www.goethe-genealogie.de-

Einzelaspekte des Lebens
Goethedenkmal am Ilmenauer MarktplatzGoethe ist eine faszinierende Persönlichkeit. Grund dafür ist vorallem seine Vielgestaltigkeit: Diese zeigt sich in vielen Aspekten, die sich gegenseitig erhellen. Jeder dieser Aspekte lässt sich oft über Jahrzehnte hindurch verfolgen und bildet gewissermassen eine eigene Biographie.
Zwei spezielle Aspekte sind seine Beziehungen zu Frauen - und seine Krankheiten. Wobei diese beiden Aspekte einander insofern entgegengesetzt sind, als Frauen häufig die Anfangspunkte einer Entwicklung in Goethes Leben markieren - ein neues Kapitel wird aufgeschlagen -, während die (teilweise schweren) Erkrankungen häufig Endpunkt, Abschluss, aber auch Flucht kennzeichnen.

Lieben, Liebchen und Liebeleien: Goethe und die Frauen
Anna Katharina Schönkopf (auch „Käthchen“ und „Annette“) (1746–1810): Tochter des Zinngießers Christian Gottlieb Schönkopf, bei dessen Familie Goethe während seiner Leipziger Studienzeit den Mittagstisch nahm. Dort lernt er 1766 das 3 Jahre ältere Käthchen kennen und verliebt sich in sie, eine Liebe, die ihn zur Produktion verspielter Lyrik im Stile des Rokoko anregt (unter anderem die so genannten Annettenlieder). Im Frühjahr 1768 wird die Beziehung gelöst, die - wegen Goethes extremer Eifersucht - von Anfang an unter Belastungen litt.
Während der Zeit der Beziehung entsteht das Stück Die Laune des Verliebten. In diesem Schäferspiel wird ein eifersüchtiger Liebhaber von seiner Eifersucht geheilt, als er erkennt, dass auch er untreu sein kann.
Auch nach dem Ende der Beziehung schrieb Goethe noch einige Zeit - durchaus galante Briefe - an Anna Katharina. Diese heiratete dann 1770 den achtbaren Juristen Dr. Karl Kanne, der später Vizebürgermeister von Leipzig wurde. Interessant ist, dass er den „von“-Titel von Graf Theodorius von Burgschaften verliehen bekam.
Susanne von Klettenberg
Friederike Brion
Charlotte Buff
Maximiliane von La Roche, Mutter von Clemens Brentano
Lilli Schönemann
Charlotte von Stein
Christiane Vulpius
Marianne von Willemer
Ulrike von Levetzow
Corona Schröter

Krankheiten
1758: Goethe erkrankt an den Blattern (Pocken), die Narbenspuren der Krankheit bleiben ihm bis ins Alter
1768: Während der Leipziger Studienzeit kommt es zu einer lebensgefährlichen Erkrankung (Halsgeschwulst und Blutsturz, wohl aus einer tuberkulösen Kaverne), die möglicherweise Ausdruck einer seelischen Krise war. Goethe kehrt nach Frankfurt zurück. Es folgt eine eineinhalbjährige Genesungsphase, die von Rückfällen und Depressionen unterbrochen wird.
1801: Er erkrankt an einer Gesichtsrose
1805: Nierensteinleiden mit häufigen Koliken
1823: Erster Herzinfarkt und Herzbeutelentzündung
1830: Erneuter Blutsturz
1832: Erneuter Herzinfarkt mit kardiogenem Schock und Lungenödem

Einzelaspekte des Werkes
Naturwissenschaftliche Arbeiten
In seiner Weimarer Zeit begann Goethe sich auch naturwissenschaftlich zu beschäftigen, vor allem auf dem Gebiet der Geologie und Botanik. Vor allem in Italien suchte er seine „Urpflanze“. Sein wissenschaftlicher Ansatz als Botaniker: Alles ist Blatt und durch diese Einfachheit wird die größte Mannigfaltigkeit möglich ist heute allerdings wissenschaftlich widerlegt. Er selbst betrachtete die Farbenlehre als sein naturwissenschaftliches Hauptwerk. Aus physikalischer Sicht ist seine Farbenlehre heute wenig naturwissenschaftlich und wenig bemerkenswert. In der Zoologie wurde er bekannt durch die Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschenembryo, dessen Fehlen bis zu dem Zeitpunkt eines der wichtigsten Argumente gegen die Verwandtschaft des Menschen mit den Affen war.

Werke
Es war eine der besonderen Eigenarten Goethes, begonnene Dichtungen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte liegen zu lassen, bereits gedruckte Werke erheblichen Umarbeitungen zu unterwerfen und manches Fertiggestellte erst nach langer Zeit in den Druck zu geben. Eine chronologische Liste der Werke ist daher insofern schwierig zu erstellen, da der Zeitraum der Bearbeitung häufig unklar, das Jahr des Erstdrucks aber oft nicht mit der dichterischen Entwicklung Goethes korrespondiert. Die folgende Liste orientiert sich im Zweifelsfall am (vermutlichen) Zeitpunkt der Entstehung.
Die Laune des Verliebten (Schäferspiel), verfasst 1768, im Druck 1806
Die Mitschuldigen (Lustspiel), begonnen 1769, im Druck 1787
Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Schauspiel), 1773
Prometheus (Gedicht), 1774
Neueröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel, 1774
Ein Fastnachtsspiel vom Pater Bray, 1774
Jahrmarktsfest zu Plundersweilen, 1774
Götter Helden und Wieland (Farce), 1774
Clavigo (Trauerspiel), 1774
Die Leiden des jungen Werther (Briefroman), 1774, 2. Fassung 1787
Egmont (Trauerspiel), begonnen 1775, im Druck 1788
Erwin und Elmire (Schauspiel mit Gesang), 1775
Wilhelm Meisters theatralische Sendung ("Urmeister", Roman), ab 1776, Im Druck 1911
Stella. Ein Schauspiel für Liebende, 1776
Iphigenie auf Tauris (Drama), Prosafassung 1779, im Druck 1787
Torquato Tasso (Drama), ab 1780, im Druck 1790
Über den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere, 1786
Römische Elegien, entstanden 1788-90
Venezianische Epigramme, 1790
Faust. Ein Fragment, 1790
Beiträge zur Optik (Abhandlungen, 2 Bde.), 1791/92
Der Groß-Cophta (Lustspiel), 1792
Der Bürgergeneral (Lustspiel), 1793
Reineke Fuchs (Tierepos), 1794
In allen guten Stunden (freimaurerisches Bundeslied), 1775
Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (Rahmenerzählung), 1795
Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/96
Xenien (Gedichte, zusammen mit Friedrich Schiller), 1796
Faust I. Eine Tragödie (1. Teil des Faust), ab 1797, im Druck 1808
Das Leben des Benvenuto Cellini (Aufsatz), 1797
Novelle, ab 1797
Herrmann und Dorothea (Idylle in Hexametern), 1798
Die natürliche Tochter (Trauerspiel), 1804
Wilhelm Meisters Wanderjahre (Roman), ab 1807, im Druck 1821, erweiterte Fassung 1829
Pandora (Festspiel), entstanden 1807/08, im Druck 1817
Die Wahlverwandtschaften, 1809
Zur Farbenlehre (wiss. Abhandlung), 1810
Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (autobiografische Dichtung, 4 Bde.), 1811-33
Vom Sänger hat man viel erzählt (freimaurerisches Gedicht zum Dank des Sängers), 1815
Wenn die Liebste zum Erwidern (freimaurerisches Gedicht zur Verschwiegenheit), 1816
Italienische Reise, 1816/17
Über Kunst und Altertum (6 Bde., zusammen mit Johann Heinrich Meyer), 1816-32
Dem würdigen Bruderfeste: "Fünfzig Jahre sind vorüber" (poetischer Dank für eine Ehrenurkunde seines fünfzigjährigen Maurerjubiläums), 1820
West-östlicher Divan (Gedichte), 1819
Einleitung zu den Trauerreden (freimaurerische Trauerrede zum Ableben des Meisters vom Stuhl Ridel), 1821
Kampagne in Frankreich (Bericht), 1822
Rede zum brüderlichen Andenken Wielands (freimaurerische Trauerrede), von Goethe vorgetragen am 18. Februar 1830
Faust II. (2. Teil des Faust), 1833
Maximen und Reflexionen, 1833

Rezeption
Goethe als „Olympier“, als „Kult-Figur“
Wie kein anderer wurde Goethe schon zu Lebzeiten als unerreichter und unerreichbarer Gipfel deutscher Dichtung stilisiert (siehe auch Die Leiden des jungen Werther), wozu sein eigenes Auftreten im Alter zweifellos beitrug. Ludwig Börne titulierte ihn dagegen als „Stabilitätsnarr“ mit seiner Angst vor Religion und Tod, Liebe und Hingabe, seinem egoistischen Festhalten an der hergebrachten Ordnung.
In Deutschland ist Goethe recht bekannt, da seit Generationen Goethes Werke ein fester Bestandteil des Lehrplans im Deutschunterricht sind.

Goethe auf dem Theater
Die herausragenden Inszenierungen der Stücke von Goethe blieben vor allem durch ihre Verfilmungen in Erinnerung. Hervorzuheben ist da natürlich die Lebensbeschäftigung von Gustaf Gründgens mit der Rolle des Mephisto in seinen Inszenierungen vom Faust. Zum ersten Mal spielte er den Mephisto 1932. Er inszenierte Faust I 1941 und Faust II 1942 in Berlin. Ende der 1950er Jahre brachte er seine Faust-Inszenierung als Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg heraus, die dann auch fürs Kino verfilmt wurde.
Eine weitere legendäre Faust-Inszenierung ist 1988/1989 in den Münchener Kammerspielen entstanden. Dieter Dorn inszenierte einen sehr volkstümlichen Faust, der völlig im Gegensatz zu Gründgens stand. Helmut Griem war als Faust zu sehen, Romuald Pekny als Mephisto. Die Frauenrollen wurden mit Sunnyi Melles als Gretchen und Cornelia Froboess als Marthe besetzt.
Als einer der wichtigsten Goethe-Interpretatoren zeigte sich in seiner langen Karriere Peter Stein. Bereits zu Beginn als junger Regisseur zeigte er eine neue Lesart mit seiner Inszenierung des Torquato Tasso 1969 in Bremen, die noch heute als modern gilt. Und Peter Stein war es, der zur Expo 2000 in Hannover, anschließend zu sehen in Berlin und Wien, den gesamten Faust auf die Bühne brachte.
Das Verdienst, 1938 als erstes beide Teile des Faust inszeniert zu haben, gebührt der Goetheanum-Bühne in Dornach bei Basel, die seither jeweils im Abstand einiger Jahre unter wechselnden anthroposophischen Regisseuren zyklische Aufführungen und Tagungen veranstaltet, zuletzt von April bis August 2004.

Weitere herausragende Goethe-Inszenierungen:
Fritz Kortners letzte Inszenierung vor seinem Tod war 1970 Clavigo mit Thomas Holtzmann und Rolf Boysen.
Torquato Tasso von Dieter Dorn Mitte der 1980er Jahre mit Manfred Zapatka als Tasso und Gisela Stein als Leonore.
Maßstab setzte für die Iphigenie auf Tauris setzte die Inszenierung von Hans Neuenfels aus dem Jahre 1980 für das Schauspiel in Frankfurt.
Der früh verstorbene Ernst Wendt inszenierte ebenfalls einen wunderbaren Torquato Tasso an den Münchener Kammerspielen 1982.
Claus Peymann inszenierte 1976 gemeinsam mit Achim Freyer beide Teile des Fausts am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart.

Vertonungen
Zahlreiche seiner Gedichte sind von unterschiedlichen Komponisten vertont worden. Am herausragendsten sind die Vertonungen von Franz Schubert, an denen Goethe jedoch bemängelte, dass die Musik zu sehr im Vordergrund stünde und nicht schlicht genug sei. Goethe bevorzugte die Vertonungen von Karl Friedrich Zelter. Weitere Komponisten, die Lyrik Goethes vertonten sind zum Beispiel: Wolfgang Amadeus Mozart (Das Veilchen, eine sehr frühe Goethe-Vertonung), Ludwig van Beethoven, Johann Friedrich Reichardt, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Carl Loewe, Hugo Wolf, Richard Strauss, Ernst Pepping und Jürg Baur. Die 1797 entstandene Ballade Der Zauberlehrling wurde von dem französischen Komponisten Paul Dukas musikalisch umgesetzt.
Ein Werk größeren Zuschnitts ist Mendelssohns Kantate Die erste Walpurgisnacht, bemerkenswert nicht zuletzt wegen der persönlichen Bekanntschaft von Dichter und Komponist.
Auch Goethes dramatische Werke waren und sind eine Quelle der Inspiration für Komponisten. In der heutigen Theaterpraxis werden die Schauspielmusiken, etwa Ludwig van Beethovens Egmont-Musik, zwar nicht mehr aufgeführt, aber einige Ausschnitte haben sich doch wenigstens im Konzert- und CD-Repertoire gehalten.
Die bei weitem stärkste Ausstrahlung hatte zweifellos Faust, insb. der erste Teil, so etwa auf Robert Schumann, Louis Spohr, Charles Gounod, Hector Berlioz. Den Schlussteil von Faust II verwendete Gustav Mahler in seiner 8. Symphonie. Von der Forschung wurden etwa 50 Faust-Bearbeitungen alleine für die Opernbühne nachgewiesen. Die Lied- und Chorsätze sind kaum mehr zählbar, selbst wenn man sich auf die Faust-Vertonungen beschränkt.
Auch im 21. Jahrhundert finden Goethes Werke noch in der Musik statt: In Extremo - Der Rattenfänger ( aus dem Album „Sünder ohne Zügel“)

Filmografie
1926 - Faust - Regie: Friedrich Wilhelm Murnau (mit Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Mephisto und Camilla Horn als Gretchen)
1938 - Werther - Regie: Max Ophüls
1960 - Faust - Gustaf Gründgens und Peter Gorski (mit Will Quadflieg als Faust und Gustaf Gründgens als Mephisto)
1975 - Falsche Bewegung - Regie: Wim Wenders (freie Bearbeitung des Wilhelm Meister-Stoffes mit Rüdiger Vogler als Wilhelm)
1976 - Die Leiden des jungen Werther - Regie: Egon Günther (mit Hans-Jürgen Wolf als Werther und Katharina Thalbach als Lotte)
1979 - Götz von Berlichingen - Regie: Wolfgang Liebeneiner (mit Raimund Harmstorf als Götz)
1989 - Faust - Regie: Dieter Dorn (mit Helmut Griem als Faust, Romuald Pekny als Mephisto und Sunnyi Melles als Gretchen)
Der Totentanz

Literatur
Karl Otto Conrady: Goethe - Leben und Werk, Artemis Verlag Zürich 1994, 1040 Seiten.
Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon, Stuttgart 1998, Kröner, ISBN 3-520-40701-9
Goethe, Johann Wolfgang (http://aronsson.se/adb/9/413), in: Allgemeine Deutsche Bibliographie, Bd. 9, S. 413
Wolfram Voigt/Ulrich Sucker, Johann Wolfgang von Goethe, BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Reihe: Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner Band 38, Leipzig 1987
Renate Wieland: Schein Kritik Utopie. Zu Goethe und Hegel, München (edition text + kritik) 1992, ISBN 3-88377-419-7
Ekkehart Krippendorff: Jefferson und Goethe, Hamburg (Europäische Verlangsanstalt/Rotbuch) 2001, ISBN 3-43450-210-6 (alles was man von Lehrern über den Politiker und kritischen Zeitgenossen G. nicht erfährt!)

Weblinks
Orginaltexte
Texte aus dem kommerziellen Projekt Gutenberg (http://gutenberg.spiegel.de/autoren/goethe.htm) (siehe auch: Projekt Gutenberg-DE)
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Herder, Johann Gottfried von 1744-1803

Herder war ein Dichter, Übersetzer und Theologe der Weimarer Klassik.

Leben
Kindheit und Jugend
Johann Gottfried von Herder, einer der hervorragendsten und einflussreichsten Schriftsteller und Denker Deutschlands, dem klassischen Viergestirn von Weimar von jeher hinzugezählt, aber erst in den letzten Jahrzehnten in seiner ganzen Bedeutung wieder gewürdigt, wurde am 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen als Sohn des Kantors, Glöckners und Schullehrers Gottfried H. und dessen zweiter Ehefrau, Anna Elisabeth Pelz, geboren. Die Verhältnisse seiner Eltern waren bescheiden und beschränkt, nicht aber so dürftig, dass sie auf eine bessere Erziehung ihrer Kinder und namentlich des Knaben, dessen Begabung früh zu Tage trat, durchaus hätten verzichten müssen. H. besuchte die Stadtschule unter Rektor Grim, erwarb in ihr gute Kenntnisse und wurde zum Studium der Theologie bestimmt. Erst die unerfreuliche Thatsache, dass eine Tränenfistel am rechten Auge sein sonst wohlgebildetes Gesicht entstellte, der Druck und die Not, welche mit dem Siebenjährigen Krieg über die Bewohner von Ostpreußen hereinbrach, vor allem aber die unfreundliche und willkürliche Einmischung des seit 1760 an der Mohrunger Stadtkirche amtierenden Diakonus S. F. Trescho, der Herders Eltern zu bestimmen suchte, den Knaben ein Handwerk lernen zu lassen, kreuzten die künftigen Lebensplane. Trescho nahm den Knaben um seiner Brauchbarkeit willen als Famulus in sein Haus, und des Patrons literarische Thätigkeit wie seine Bibliothek weihten denselben in mancherlei Wissen und mancherlei Mysterien der Literatur ein. Im ganzen war es eine Lage, welche dem jungen H. unauslöschlich trübe und bittere Erinnerungen hinterließ, und aus der er zuletzt nur durch das Eingreifen eines russischen Regimentschirurgen erlöst wurde, der sich erbot, ihn zur Erlernung der Chirurgie nach Königsberg und später nach Petersburg mitzunehmen.
Studium in Königsberg
H. langte im Hochsommer 1762 in der ostpreußischen Hauptstadt an, und da er alsbald erkannte, dass er für den von seinem Beschützer in Aussicht gestellten Beruf gänzlich ungeeignet sei, ließ er sich 10. Aug. als Studiosus der Theologie immatrikulieren. An dem Buchhändler Kanter, dem er sich schon von Mohrungen aus durch Zusendung des „Gesanges an Cyrus“ empfohlen hatte, gewann er einen hilfreichen Gönner. und durch seine Anstellung als Lehrer an der Elementarschule des Collegium Fridericianum ward er der drückendsten Not rasch überhoben und überließ sich rückhaltlos seinem Bildungsdrang. Bedeutenden Einfluss auf die geistige Entwicklung des Jünglings übte von den Universitätslehrern nur Immanuel Kant, außerhalb der Universitätskreise aber der „Magus aus Norden“, der originelle Johann Georg Hamann. Unter den Einwirkungen seiner mannigfaltigen und ausgebreiteten Lektüre wirkte keine tiefer, sein ganzes Wesen bestimmender als die der Schriften J. J. Rousseaus.
Erste Literarische Arbeiten
Herders erste literarische Versuche waren Gedichte und Rezensionen für Kanters „Königsbergische Zeitung“; daneben regten sich mannigfache literarische Pläne. Im Herbst 1764 ward H. als Kollaborator an die Domschule nach Riga berufen, später auch als Pfarradjunkt an den Jesus- und Gertraudenkirchen angestellt, so dass er in der alten Hauptstadt Livlands, die sich damals noch fast republikanischer Selbständigkeit erfreute, einen ausgebreiteten und nicht unwichtigen Wirkungskreis fand. Die Kreise des städtischen Patriziats erschlossen sich dem jungen vielversprechenden Mann, der sich in ihnen mancher Anregung und eines bis dahin ungekannten Lebensgenusses erfreute. Unter so günstigen Umständen eröffnete H. mit den „Fragmenten über die neuere deutsche Literatur“ (Riga 1766-67), dem Schriftchen „Über Thomas Abbts Schriften. Der Torso von einem Denkmal an seinem Grab errichtet“ (das. 1768) und den „Kritischen Wäldern“ (das. 1769) seine große literarische Laufbahn. Mit den Sätzen der „Literatur-Fragmente“, dass die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besonderen Genius der Volksart und Sprache bedingt sind, dass darum die Nachahmung keiner fremden Literatur die deutschefördern könne, mit der Polemik gegen das schon lange andauernde Übergewicht der lateinischen Sprache und Literatur hatte H. seine selbständige Stellung in dem großen Kampf der Zeit genommen. Die Angriffe gegen die seichte und verächtliche Clique der Klotzianer waren nur Konsequenzen seiner Anschauungen. Gleichwohl hatte sich H. Klotz und den Seinen gegenüber Blößen namentlich durch die Ableugnung der Autorschaft der „Kritischen Wälder“ gegeben und ward, wie im späteren Leben noch oft, in ärgerliche Händel verwickelt, die ihm selbst das Behagen an seiner sonst so günstigen Stellung in Riga verleideten. Starker Reisedrang und das Verlangen, sich für eine künftige große Wirksamkeit (welche er sich mehr als eine praktische denn als eine literarische dachte) allseitig vorzubereiten, veranlaßten H., im Frühling 1769 seine Entlassung zu begehren, die man ihm gewährte in der Hoffnung, dass er zurückkehren werde.
Reisender Fürstenerzieher
Mit Beihilfe einiger nächster Freunde, namentlich seines Verlegers Hartknoch, trat er im Juni d. J. eine große Reise an, die ihn zunächst zu Schiff nach Nantes führte, von wo er im November nach Paris ging. Weil er sich rasch überzeugen musste, dass es nicht möglich sein werde, mehrjährige Reisen nur mit Unterstützung seiner Freunde durchzuführen, war ihm der Antrag des fürstbischöflich lübeckischen Hofs zu Eutin, den Erbprinzen Peter Friedrich Wilhelm als Reiseprediger zu begleiten, ganz willkommen. Anfang 1770 kam er nach Eutin und brach im Juli d. J. von dort mit dem Prinzen auf. Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf des Grafen Wilhelm von Lippe in Bückeburg erreicht; gleich darauf lernte H. in Darmstadt seine spätere Frau, Marie Karoline Flachsland (geb. 28. Jan. 1750 in Reichenweier/Elsaß), kennen. Eine rasch gefaßte und erwiderte Neigung nährte in H. den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen nur bis Straßburg, wo er sich mit Johann Wolfgang von Goethe befreundete. Herder begehrte vom Eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zur Lippe angetragene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat an, blieb aber dann um einer (leider mißglückten) Augenoperation willen den Winter in Straßburg und knüpfte hier die freundschaftlichen Beziehungen zu dem um fünf Jahre jüngeren Goethe an.
Prediger in Bückeburg
Ende April 1771 trat H. seine neue Stellung in Bückeburg an. Sein Verhältnis zu dem Landesherrn des kleinen Ländchens, dem berühmten Feldherrn Grafen Wilhelm, ward bei allerAchtung, die der durch und durch soldatische und an keinen Widerspruch gewöhnte Fürst ihm zollte, kein erfreuliches. Auch als Graf Wilhelms Gemahlin, die liebenswürdige fromme Gräfin Maria, sich H. in herzlicher Verehrung anschloss, betrachtete dieser den Aufenthalt in Bückeburg als ein Exil. Verschönert ward ihm dasselbe durch die treue Liebe seiner jungen Gattin, nachdem er im Mai 1773 Karoline Flachsland heimgeführt; resultatreich gemacht durch seine Studien und Arbeiten. Die Zeit des Bückeburger Aufenthalts war für H. die eigentliche Sturm- und Drangperiode. Mit der geistvollen, von der Berliner Akademie preis gekrönten Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ (Berl. 1772), die er noch in Straßburg begonnen, eröffnete er die lange Reihe der verschiedenartigsten Schriften, durch welche er bahnbrechend und pfadzeigend für die junge Literatur ward, und in denen die Fantasie nicht bloß berechtigtermaßen das erste, sondern manchmal auch das letzte Wort hatte. Mit den beiden Aufsätzen über „Ossian und die Lieder alter Völker“ und über „Shakespeare“ in den fliegenden Blättern „Von deutscher Art und Kunst“ (Hamburg 1773) und der Schrift „Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblüht“ trat er in den Mittelpunkt der Bewegung, welche eine aus dem Leben stammende und auf das Leben wirkende, echte Natur atmende Dichtung wiedergewinnen wollte. Mit der Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (o. O. [Riga] 1774) erklärte er derprahlerischen und öden Aufklärungsbildung des Jahrhunderts den Krieg. Rief schon diese Arbeit die entschiedensten Widerspruche, ja Herabsetzungen und Verlästerungen Herders hervor, so war dies in noch höherm Grade der Fall bei Herders theologischen und halbtheologischen Schriften, der „Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts“ (Riga 1774-76, 4Tle.), den „Briefen zweener Bruder Jesu in unserm Kanon“ (Lemgo 1775), den „Erläuterungen zum Neuen Testament, aus einer neueröffneten morgenländischen Quelle“ (Riga 1775) und den 15 Provinzialblättern „An Prediger“ (Leipz. 1774). Die Angriffe, die er erfuhr, veranlaßten ihn, seine schon zum Druck vorbereitete Sammlung der „Volkslieder“ zurückzuhalten. Sie brachen ihm den Entschluss des Weiterwirkens nicht, aber sie steigerten eine hypochondrische Reizbarkeit und ein dämonisches Mißtrauen, welche in Herders Seele früh erwacht waren.
Generalsuperintendent in Weimar
H. verhandelte eben wegen einer Berufung an die Universität Göttingen (wo man ihm ein Kolloquium zur Prüfung seiner angezweifelten Orthodoxie auferlegen wollte), als ihm durch Goethes freundschaftliche Bemühungen im Frühjahr 1776 die Vokation als Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an der Stadtkirche zu Weimar zu teil ward. Sein Weggehen von Bückeburg folgte dem Tod seiner Gönnerin, der Gräfin Maria, fast auf dem Fuß. Am 2. Okt. 1776 traf H., der besten Erwartungen und des besten Willens voll, in Weimar ein. Da aber gleich im Beginn seiner Wirksamkeit ein Versuch gemacht wurde, ihm seine eigentliche Gemeinde zu entziehen, und H. nur durch die tapfere Erklärung, unter solchen Umständen lieber auf den Antritt seines Amtes verzichten zu wollen, das Feld behauptete, so war auch hier von Haus aus ein Argwohn und bitteres Gesühl wachgerufen. Herders amtliche Stellung wie persönliche Natur verboten ihm, an dem rauschenden Karneval in den ersten Regierungsjahren Karl Augusts Anteil zu nehmen. Obschon er rühmte: „Ich bin hier allgemein beliebt, bei Hofe, Volk und Großen, der Beifall geht ins Überspannte. Ich lebe im Strudel meiner Geschäfte einsam und zurückgezogener, als ich in Bückeburg nur je gelebt habe“, so blieben Mißhelligkeiten nicht aus. Da H. wahrzunehmen glaubte, dass in dem engeren Kreis des Herzogs eine grundliche Gleichgültigkeit, ja verächtliche Geringschätzung gegen Kirche und Schule vorherrsche, vertrat er nicht nur, was sein gutes Recht war, deren Interessen aufs kräftigste und eifrigste, sondern setzte sich in Opposition gegen nahezu alle Meinungen, Richtungen und Neigungen jenes Kreises. Und so gewiß Weimar eine große Verbesserung Bückeburg gegenüber heißen durfte, so fühlte sich H. von der Kleinlichkeit und Enge auch vieler weimarischer Verhältnisse gedruckt. Dennoch wirkte die veränderte Lage günstig auf ihn, und wenn er auch herkömmlich über mancherlei Bürden seines Amtes klagte, so nahm gleichwohl seine literarische Produktivität einen großen und immer gewaltigeren Ausschwung. Der Läuterungsprozeß,durch welchen sich die hervorragenden Repräsentanten des Sturms und Dranges in die Hauptträger der deutschen klassischen Literatur verwandelten, nahm auch bei H. zu Ausgang der 7oer Jahre seinen Anfang. Die hochbedeutsame philosophische Abhandlung „Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume“ (Riga 1778), die „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum“ (das. 1778) und die Herausgabe der „Lieder der Liebe“ (Leipz. 1778) sowie der längst vorbereiteten „Volkslieder“ (erst später von Johannes v. Müller „Stimmen der Völker in Liedern“ betitelt, das. 1778-79) waren seine ersten von Weimar aus in die Welt gesandten Publikationen. Die von der Münchener Akademie preisgekrönte Abhandlung „über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten“ (1778) galt einem neuen Nachweis, dass echte Poesie die Sprache der Sinne, erster mächtiger Eindrucke, der Phantasie und der Leidenschaft, daher die Wirkung der Sprache der Sinne allgemein und im höchsten Grad natürlich fei, eine Wahrheit, welche die mit umfassender Literaturkenntnis ausgewählten, lebendig nach- und anempfundenen, zum größten Teil vorzüglich übersetzten „Volkslieder“ eben weiten Kreisen zum Bewusstsein brachten.
Freundschaft mit Goethe
Einen höchst glücklichen Einfluss auf Herders weitere geistige Entwicklung übte seit den ersten 8oer Jahren das wiederhergestellte innige Verhältnis Herders und seines Hauses zu Goethe. H. trat in den regsten Gedankenaustausch wie in den lebendigsten persönlichen Verkehr zu dem jüngeren Freund, und während er seinen Weg unter dessen bewundernder Teilnahme weiter verfolgte, steigerte sich sein Gefühl für Schönheit und Klarheit des Vortrags, selbst sein poetisches Ausdrucksvermögen durch den reinen Formensinn Goethes. In seinem Familienleben ward H. durch die dauernde tiefinnige Liebe seines Weibes und die erfreulich heranwachsenden Kinder beglückt. Freilich brachten auch die Sorgen um die Bildung und Zukunft dieser Kinder, eine gewisse Großartigkeit seines Naturells, welche mit den nicht dürftigen, aber mäßigen Einnahmen nie völlig in Harmonie kam, und mancherlei Krankheiten Herders, für welche er schon seit 1777 auf Badereisen Erholung zu suchen hatte, dunkle Stunden und Tage auch in diese lichtesten Iahre von Herders Leben. In ebendiesen 80er Jahren entstand beinahe alles, was Herders immer genialem Wirken durch innere Reife und äußere Vollendung bleibende Nachwirkung sicherte. Bezogen sich die „Briefe, das Studium der Theologie betreffend“ (Weim. 1780-81, 4 Tle.) und eine Reihe von vorzüglichen Predigten auf Herders Amt und nächsten Beruf, so leitete das große, leider unvollendet gebliebene Werk „Vom Geiste der Ebräischen Poesie“ (Dessau 1782-83, 2 Tle.) von der Theologie zur Poesie und Litteratur hinüber. Aus der tiefsten Mit-Empfindung für die Naturgewalt, die Frömmigkeit und eigenartige Schönheit der hebräischen Dichtung wuchs ein Werk hervor, von welchem Herders Biograph (R. Haym) mit Recht rühmt, dass es „für Kunde und Verständnis des Orients Ähnliches geleistet wie Winckelmanns Schriften für das Kunststudium und die Archäologie“. 1785 aber begann H. die Herausgabe seines großen Hauptwerkes, der „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (Riga 1784-91, 4 Bde.), die endliche Ausführung eines Lieblingsplans, die breitere Ausführung von Gedanken, welche er längst in kleinern Schriften in die Welt gesandt hatte, und wiederum die energische Zusammenfassung alles dessen, was er über Natur und Menschenleben, die kosmische Bedeutung der Erde, über die Aufgabe des sie bewohnenden Menschen, „dessen einziger Daseinszweck auf Bildung der Humanität gerichtet ist, der alle niedrigen Bedürfnisse der Erde nur dienen und selbst zu ihr führen sollen“, was er über Sprachen und Sitten, über Religion und Poesie, über Wesen und Entwickelung der Künste und Wissenschaften, über Völkerbildungen und histo rische Vorgänge gedacht und (wie seine Gegner erinnerten) geträumt hatte. Die Aufnahme des Werkes entsprach dem großen Verdienst desselben. Gleichzeitig veröffentlichte H. die hochinteressante und nach den verschiedensten Richtungen bedeutende Sammlung seiner „Zerstreuten Blätter“ (Gotha 1785-97, 6 Tle.), in welcher eine Reihe der schönsten Abhandlungen und poetischen Übersetzungen die Geistesfülle und sittliche Grazie des Schriftstellers in herzgewin nender Weise offenbarte.
Italienreise, Zerwürfnis mit Goethe
Einen großen Abschnitt in Herders Leben bildete die Reise, welche er 1788-1789 nach Italien unternahm. Seine hypochondrische Reizbarkeil und mancherlei ungünstige Zufälle wirkten zusammen, ihn eigentlich nur in Neapel zum Vollgenuß dieser Reise kommen zu lassen; doch empfing er bedeutende und bleibende Eindrücke, die vielleicht noch günstiger gewirkt hätten, wenn ihn nicht in Italien eine abermalige ehrenvolle und vielverheißende Berufung nach Göttingen erreicht und die schwere Frage des Gehens oder Bleibens in Weimar ihn während der Rückreise gequält hätte. Goethe, von der Erwägung ausgehend, dass der Freund dem Kathederärger in Göttingen noch weniger gewachsen sein werde als dem Hof- und Konsistorialärger in Weimar, wirkte für Herders Bleiben und konnte im Einverständnis mit dem Herzog Tilgung der Herderschen Schulden, Gehaltsverbesserungen und mancherlei tröstliche Verheißungen für die Zukunft bieten. In seinen freundschaftlichen Erwägungen hatte er nur vergessen, dass in gewissen Lebenslagen und Gemütszuständen die bloße Veränderung eine Wohlthat und Notwendigkeit sein kann. H. ließ sich mit einem gewissen Widerwillen zum Bleiben bestimmen, beide Freunde sollten dieser Entscheidung nur kurze Iahre froh werden. Herders Gesundheitszustände waren nur vorübergehend gebessert, körperliche Leiden brachen ihm Lebenslust und Arbeitskraft; der fünfte Teil der „Ideen“ blieb ungeschrieben, und bereits die „Briefe zur Beförderung der Humanität“ (Riga 1793-97, 10 Sammlungen) trugen die Farbe seines verdüsterten Geistes. Die materiellen Sorgen im Herderschen Haus hatten sich leider nur vorübergehend gemildert, und die nur halb gerechtfertigten Ansprüche, welche H. und seine Gattin auf Grund der Abmachungen von 1789 erhoben, führten zu einem unheilbaren Bruch mit Goethe. H. hatte schon zuvor mit reizbarer Eifersucht die wachsende Intimität zwischen Goethe und Schiller betrachtet. So trat allmählich ein Zustand der Isolierung und kränklich verbitterten Beurteilung alles ihn umgebenden Lebens bei H. ein. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zur klassischen Kunst Goethes und Schillers fand, verstärkte und verschärfte H. gewaltsam und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten mehr und mehr hervortreten. Zwar gab er, sowie er auf neutralem Gebiet stand, auch jetzt noch Vorzügliches und Erfreuliches.
Spätwerk
Seine „Terpsichore“ (1795), welche den vergessenen neulateinischen Dichter Jakob Balde wieder einführte, seine „Christlichen Schriften“ (1796-1799, 5 Sammlungen), in denen das unbeirrteste Gefühl für den eigentlichen Kern des Christentums den schönsten und maßvollsten Ausdruck fand, seine Aufsätze für Schillers „Horen“ bewährten den alten Herderschen Geist. Aber voll grimmer Bitterkeit und dazu mit unzulänglichen Waffen bekämpften Herders „Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft“ (1799, 2 Tle.) und die „Kalligone“ (1800) die Philosophie Kants, voll absichtlicher Verkennung und unwürdiger Lobpreisung des Abgelebten und Halben richtete seine „Adrastea“ (das. 1801-1803, 6 Tle.) alle ihre versteckten Spitzen gegen die lebendige, schönheitsfreudige Dichtung Goethes und Schillers. Nur die Qual eines Zustandes, der ihn tief niederdrückte, und in dem er sich selbst bald als „dürrer Baum und verlechzte Quelle“, bald als „Packesel und blindes Mühlenpferd“ schilderte, konnte diese letzte verhängnisvolle Wendung seiner literarischen Tätigkeit entschuldigen. Letzte Erquickung bereitete ihm, dessen körperliche Kraft mehr und mehr erlag, die poetische Arbeit an seinen „Legenden“, an der Übertragung der Romanzen vom „Eid“ und an den dramatischen Gedichten: „Prometheus“ und „Admetus' Haus“. Die Annahme eines vom Kurfürsten von Bayern 1802 ihm verliehenen Adelsdiploms bereitete H. schweren Ärger, und seine endliche Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums kam zu spät, ihm Lebensmut zurückzugeben. In den Sommern 1802 und 1803 suchte er Heilung in den Bädern von Aachen und am Egerbrunnen, im Herbste des letztgenannten Jahrs erfolgte ein neuer heftiger Anfall seines unheilbaren Leberübels, dem er 18. Dez. 1803 erlag. Vor der Stadtkirche zu Weimar wurde ihm 1850 ein ehernes Standbild (modelliert von Schaller) errichtet. Johann Gottfried von Herder war einer der bislang 1500 ermittelten Illuminati-Mitgliedern.

Die Familie
Herders Gattin Maria Karoline, geborene Flachsland, geb. 28. Jan. 1750 zu Reichenweier im Elsaß, lebte nach ihres Vaters Tod bei ihrer Schwester in Darmstadt, wo sie H. kennen lernte, der sich 1773 mit ihr verheiratete. Nach Herders Tod ordnete sie dessen literarischen Nachlaß und schrieb: „Erinnerungen aus dem Leben Herders“ (hrsg. von J. G. Müller, Stuttg. 1820, 2 Bde.; neue Ausg.1830, 3Bde.). Sie starb 15. Sept. 1809 in Weimar. Der älteste Sohn, Wilhelm Gottfried v. H., geb. 1774 zu Bückeburg, studierte in Jena Medizin, ward 1800 Provinzialakkoucheur und 1805 Hofmedikus in Weimar, wo er 1806 starb. Er schrieb: „Zur Erweiterung der Geburtshilfe“ (Leipz. 1803) und nahm teil an der Herausgabe der Werke seines Vaters. Der zweite Sohn ist Sigismund August Wolfgang von Herder. Der dritte und jüngste, Emil Ernst Gottfried von Herder, war bis 1839 bei der Regierung für Schwaben und Neuburg thätig und starb als bayrischer Oberforst- und Regierungsrat 27. Febr. 1855 in Erlangen. Er gab in „Herders Lebensbild“ (Erlang. 1846-47, 3 Bde.) eine liebe volle Darstellung des Lebens und Wirkens seines Vaters. Ein Enkel Herders war der ehemalige weimarische Staatsminister Stichling.

Ideen
Humanitätsbegriff:
„(...) Betrachten wir die Menschheit, wie wir sie kennen, nach den Gesetzen, die in ihr liegen, so kennen wir nichts Höheres, als Humanität im Menschen; denn selbst wenn wir uns Engel oder Götter denken, denken wir sie uns nur als idealistische, höhere Menschen.“
„Ich wünschte, daß ich in das Wort Humanität alles fassen könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung zur Vernunft und Freiheit, zu feineren Sinnen und Trieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zur Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe; denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als Er selbst ist, in dem das Bild des Schöpfers unserer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte, abgedrückt lebt. (...)“
Einer der zentralen Begriffe im Zusammenhang mit Herder ist die Humanität, das „Streben nach der ursprünglichen Einheit des Menschengeschlechtes“ (Hans Dietrich Irmscher im Kölner Stadtanzeiger vom 25.8.1994).

Würdigung
Mannigfach rätsel- und widerspruchsvoll, ungleicher in seinen Leistungen als seine großen Zeitgenossen, aber unvergleichlich reich, vielseitig, voll höchsten Schwunges und schärfster Einsicht, eine Fülle geistigen Lebens in sich tragend und um sich erweckend, steht H. in der deutschen Literatur. In der großen Umbildung des deutschen Lebens am Ende des vorigen Jahrhunderts hat er mächtiger und entscheidender eingegriffen als einer, und die Spuren seines Geistes lassen sich in der Litteratur im engern Sinn, in Fachwissenschaften und Spezialzweigen, die aus seinen Anregungen hervorgegangen sind, überall nachweisen. Der verschwenderische Überreichtum seiner Gedanken, die Genialität seiner Einsichten und die wunderbarste Anempfindung für das echt Poetische offenbaren sich in beinahe allen seinen Werken; die Forderung der „Humanität“, der Heranbildung und Läuterung zum vergöttlichten Menschlichen, einem Lebens- und Bildungsideal, dem noch ganze Jahrhunderte nachringen können, ist der durchgehende Grundgedanke in der Vielheit und Mannigfaltigkeit seiner Schriften. Bei allen seinen Gaben war ihm die künstlerische Gestaltungskraft versagt, so dass er als Dichter nur in einzelnen glücklichen Momenten und auf dem Gebiet der didaktischen Poesie zu wirken vermochte. Die Verbindung seines eignen ethischen Pathos mit Stimmungen und Gefühlen, welche ihm aus der Dichtung der verschiedensten Zeiten und Völker aufgingen, war nie ohne Reiz; sein Verdienst als poetischer Übersetzer, als Aneigner und Erläuterer fremden poetischen Volksgeistes kann kaum zu hoch angeschlagen werden. Die große Zahl von Herders poetischen Übertragengen aus den verschiedensten Sprachen, ihre Auswahl und die Resultate, welche H. jedesmal aus ihnen zog, haben einer allgemeinen, über die „Gelehrtengeschichte“ der vorausgegangenen akademischen Perioden hinauswachsenden Literaturgeschichte den Boden bereitet. Neben den „Stimmen der Völker in Liedern“, dem „Cid“, den Epigrammen aus der griechischem Anthologie, den Lehrsprüchen aus Sadis „Rosengarten“ und der ganzen Reihe anderer Dichtungen und poetischer Vorstellungen, welche Herders anempfindender Geist für die deutsche Literatur gewann, stehen jene morgenländischen Erzählungen, jene Paramythien und Fabeln, die H. im Wiedererzählen benutzte, Momente seiner eignen sittlichen Anschauung, seiner Humanitätslehre beizugesellen, und die hierdurch wieder durch ihre Vortragsweise zu seinem geistigen Eigentum werden. Höher aber als der Dichter steht überall der Prosaiker H., der große Kulturhistoriker, Religionsphilosoph, der feinsinnige Ästhetiker, der im Sinn Lessings und doch in völlig anderer Erscheinung produktive Kritiker, der glänzende Essayist, der gehaltreiche und in der Form anmutvolle Prediger und Redner. Es ist Herders eigenstes Mißgeschick gewesen, dass die großen Resultate seines Erkennens und Strebens rasch zum Gemeingut der Bildung, seine Anschauungen zu Allgemeinanschauungen wurden, so dass es erst der historischen und kritischen Zurückweisung auf die Genialität, die seelische Tiefe und den verschwenderischen Gedankenreichtum der Herderschen Schriften bedurfte, um das größere Publikum zu denselben zurückzuführen.
Ihm zu Ehren wurde seine Büste in der Walhalla aufgestellt.
Als Theologe erwarb er sich großes Verdienst um eine geistige, von dem Buchstaben des Dogmas freie Auffassung des Christentums; der Heiligen Schrift widmete er literarhistorische und historisch-antiquarische Studien, die sie aus ihrer Zeit und ihrem Volke verstehen lehrten [...].

Brockhaus (1908), Bd.9, S. 33 (normalisiert)
Eine der bleibenden Leistungen Herders war die zuerst in seiner Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit formulierte Erkenntnis, daß die Mächte der Geschichte wie Nationen, Epochen u.a. jeweils ihren eigenen Wert in sich tragen und unabhängig von der Gegenwart des Betrachters beurteilt werden müssen. Die im Zeitalter der Aufklärung bedeutende Idee der Toleranz wurde damit von Herder auf andere Völker und Geschichtsepochen angewandt. In der Literaturgeschichte führte ihn seine Erkenntnis zu dem vielzitierten Ausspruch über Shakespeare, in Griechenland sei ein Drama entstanden, wie es im Norden nicht hätte entstehen können. Herder legte damit den Grundstein zum Historismus.

Werke
Fragmente über die neuere deutsche Literatur, Riga 1766-67.
Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772)
Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter (1773)
Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker (1773)
Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken (1778/79 Erst in der 2. Auflage 1807 unter dem Titel Stimmen der Völker in Liedern )
Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (4 Teile 1784/91)
Briefe zu Beförderung der Humanität; zehn Sammlungen (1791-1797)
Terpsichore, Lübeck 1795
Christliche Schriften, Riga 1796-1799, 5 Sammlungen.
Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1799, 2 Tle.
Kalligone, Leipzig 1800.

Literatur zu Herder:
Michael Zaremba: „Johann Gottfried Herder - Prediger der Humanität“ (2002); Biografie, die erstmals den gesamten Briefwechsel berücksichtigt ISBN 3-412-03402-9
Herder, 1) Johann Gottfried von (http://susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/meyers/servlet/showSeite?SeiteNr=0413&BandNr=8&textmode=true), in: Meyers Konversationslexikon, 4.Aufl. 1888/89, Bd.8, S.413.


Weblinks
http://projekt.gutenberg.de/autoren/herder.htm -- E-Texte beim Projekt Gutenberg-DE
http://www.johann-gottfried-herder.net/ -- International Herder Society / Internationale Herder-Gesellschaft
Kommentierte Linksammlung (http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_fgh/herder.html)
http://www.johann-gottfried-herder.de/ -- ein Portal, das Links auf biografische Artikel, auf Bilder und auf einige Werke des Schriftstellers setzt


s.a. Editionsgeschichte der Werke Johann Gottfried von Herders, Triebkraft und Widerspruch

Montag, 24. Januar 2005

Grundtvig, Nikolai 1783 - 1872

Nikolai Frederik Severin Grundtvig, bekannter als N.F.S. Grundtvig, war ein dänischer Schriftsteller, Dichter, Philosoph, Historiker, Pfarrer, Pädagoge und Politiker, kurz: interdisziplinärer Philologe, Theologe und Patriot.

N.F.S. Grundtvig ist eine der bedeutendsten Personen in der Geschichte Dänemarks. Er war stark beeinflusst von Johann Gottfried von Herder. Grundtvig ist Begründer der Volkshochschule. Seine Anhänger nennen sich Grundtvigianer. Der Grundtvigianismus ist als kirchliche Reformbewegung aus der dänischen Kirchengeschichte nicht wegzudenken. Grundtvigs Dichtung prägte das Selbstverständnis der Dänen.

1861 wurde er in Anerkenntnis seines Lebenswerkes von König Frederik VII. zum Bischof von Seeland ernannt. Er war damit nominell Primas der dänischen Kirche.

Leben und Werk des N.F.S Grundtvig sind in Dänemark bis heute ein sehr breit beachtetes Thema.


Leben
Als Sohn des Priesters Johan Grundtvig wird Nikolai Frederik Severin am 8. September 1783 in Udby auf der Insel Seeland in Dänemark geboren. Ab 1800 besucht er die Aarhus Katedralskole. Er lernt dort Latein und bezeichnet diese Zeit später als eine Phase, in der er sich in eine kalte und altkluge Person verwandelt habe.
Er wird 1803 Kandidat der Theologie an der Universität Kopenhagen. Danach kehrt er nach Udby zurück.
1805-1803 ist er Privatlehrer auf dem Landgut Egelykke auf der Insel Langeland. Dort verliebt er sich unglücklich in die Frau des Hauses, Constance Leth. In seiner Biografie wird das als eine Modeerscheinung der damaligen Zeit geschildert, wo sich alle jungen Männer unglücklich verlieben mussten – ganz nach dem Vorbild der Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe, was seinerzeit sehr prägenden Einfluss auf die Jugend hatte. Danach ist er bis 1811 Geschichtslehrer am Scousboeske Institut.
Bei der Predigt anlässlich seiner Ordination 1810, welche für die folgende Zeit mustergültig werden sollte, eifert er gegen seine rationalistischen Kollegen, die seiner Meinung nach das Wort Gottes nicht richtig verkündeten. Im selben Jahr durchlebt er eine, sein ganzes weiteres Leben prägende, gesundheitliche und mentale Krise. (siehe im Folgenden den Abschnitt Der Theologe).
Er arbeitet in Udby von 1811-1813 als Kaplan und hilft seinem Vater, welcher 1813 verstirbt. Vergeblich bewirbt er sich um seine Nachfolge als Pfarrer und geht so nach Kopenhagen. Dort schlägt er zunächst die Laufbahn des Dichters ein (siehe im Folgenden den Abschnitt Der Nationaldichter).
1816-1819 erscheint seine Monatszeitschrift Danne-Virke, welche sich mit den Themen Vernunft und Offenbarung beschäftigt. Weitere Schwerpunkte ist die Rolle der Phantasie in Kunst und Poesie. Hier veröffentlicht er auch diverse Gedichte und Aufsätze über Kirche, Staat und Schule. Parallel dazu entsteht sein interdisziplinäres Werk über die Weltgeschichte (siehe im Folgenden den Abschnitt Der Historiker).
Am 12. August 1818 heiratet er nach siebenjähriger Verlobungszeit Elisabeth (Lise) Blicher. 1821-1822 wird er Priester in Præstø. Hier wird sein erster Sohn Johan geboren, und hier begräbt er auch seine Mutter. Danach ist er bis 1826 Kaplan der Erlöserkirche (Kopenhagen). In dieser Zeit entsteht mit Nyaars-Morgen (Neujahrs-Morgen) Grundtvigs größtes einzelstehendes poetisches Werk.
1826 bezichtigt er in einer theologischen Streitschrift den anerkannten Theologieprofessor Henrik Clausen der Ketzerei, steht vor Gericht und wird unter lebenslange Zensur gestellt, welche 1837 allerdings wieder aufgehoben wird.
1829, 1830 und 1831 unternimmt Grundtvig seine Reisen nach England, wohin er 1843 noch einmal fährt. Er interessiert sich für alte angelsächsische Handschriften, welche damals für die Engländer eher uninteressant waren. Die Englandreisen beeinflussen darüber hinaus sowohl sein weiteres kirchliches Denken, als auch seine pädagogischen Ideen. England erweckte in ihm den fortan unauslöschlichen Drang nach Freiheit. Das Jahr 1832 markiert einen weiteren entscheidenden Wendepunkt in Grundtvigs Biografie: Er wendet sich als Theologe der Aufklärung zu. Mehr dazu im Abschnitt Der Theologe.
1844 eröffnet die erste Volkshochschule der Welt. Siehe hierzu im Folgenden: Der Volkspädagoge. Im selben Jahr durchlebt er eine erneute mentale Krise und muss aufgrund seiner Depressionen eine Schaffenspause einlegen, bevor es ihm dann wieder besser geht.
Nach der Märzrevolution 1848 in Dänemark beginnt der parteilose Grundtvig seine politische Laufbahn. Er gilt als äußerst liberal, setzt sich für Religions- und Schulfreiheit ein, und gehört zu den wenigen Männern seiner Zeit, welche die beginnende Frauenbewegung unterstützen. Siehe im Folgenden den Abschnitt Der Politiker.
Im Januar 1851 stirbt seine Frau Lise. Neun Monate später heiratet er am 25. Oktober die große Liebe seines Lebens, Marie Toft. Tragischerweise verstirbt sie bereits drei Jahre nach der Hochzeit. Grundtvigs Liebeslied Hvad er det, min Marie (Was ist das, meine Marie?) gehört zum dänischen Liedgut.
Am 14. April 1858 heiratet er Asta Reedz. In der Öffentlichkeit wurde dies teilweise als anstößig empfunden, denn Grundtvig war damals schon 75 Jahre alt. Die Ehe wird aber als glücklich beschrieben. 1861 wird Grundtvig vom dänischen König der Titel des Bischofs von Seeland verliehen. Er ist damit das nominelle Kirchenoberhaupt in Dänemark.
1863-1872 etabliert sich der Brauch der Freundestreffen um Grundtvig, nachdem er seinen 80. Geburtstag feiert. Jährlich treffen bei ihm Freunde und Bewunderer ein. Sein Biograf Alchin spricht von einem einsetzenden Personenkult in seinen letzten Lebensjahren. 1867 erlebt Grundtvig eine erneute mentale Krise. Diese manische Periode spitzt sich am Palmsonntag zu, wo er eine stark prophetisch gefärbte Predigt hält. Er spricht vom nahenden Erscheinen Gottes auf Erden. Viele glaubten, das wäre nun sein Ende, aber er erholte sich und blieb rüstig.
Am 2. September 1872 stirbt N.F.S. Grundtvig im Alter von 89 Jahren. Tausende Freunde begleiten seinen Sarg auf dem letzten der legendären Freundestreffen, anstelle seinen 90. Geburtstag zu feiern, welcher 6 Tage nach seinem Tod gewesen wäre.

Der Theologe
N.F.S. Grundtvig, der Theologe (1843)N.F.S Grundtvig gilt als der markanteste Theologe in Dänemark. Berühmt sind seine Psalme (dänisch.: salme), von denen er ungefähr 1.500 verfasste. Weltanschaulich wandelte er sich vom Fundamentalisten zum Reformer. Er vertrat dann die Auffassung: Menneske først – kristen så = Erst Mensch – dann Christ. Das dänische Internetprojekt Grundtvig på Nettet (deutsch: Grundtvig im Netz) hat sich zur Aufgabe gemacht, seine 600 überlieferten Predigten, die in Manuskripten erhalten sind, zu entziffern und dann (meist erstmals) zu veröffentlichen.
Theologische Laufbahn
Grundtvig, der Pastorensohn, wird als Jugendlicher 1800 auf die Kathedralenschule in Århus geschickt, und studiert ab 1803 Theologie in Kopenhagen. Nach seiner Probepredigt mit dem Titel Warum ist das Wort des Herrn aus seinem Hause verschwunden? gegen viele seiner Predigerkollegen 1810 ereilt ihn ein mentaler Schock:
Ihm erscheint nach eigenen Angaben im Gasthof Vindbyholt kro der Teufel. Er soll so laut gebetet haben, dass er alle anderen Gäste aufweckte. Danach verfasst er seinen ersten Psalm Dejlig er den himmel blå – Schön ist des Himmels Blau. Er entschließt sich, das Luthertum gegen den in dieser Zeit dominierenden Rationalismus zu erneuern.
1811 bis 1813 ist Grundtvig Kaplan in seinem Heimatort und hilft seinem Vater in der Kirche. Als dieser stirbt, geht sein Wunsch, dessen Nachfolge antreten zu dürfen, nicht in Erfüllung. Vom Februar 1821 bis zum November 1822 ist Grundtvig Priester in dem Ort Præstø auf Seeland. Es ist überliefert, dass dort die „Chemie stimmte“.
1822 bis 1826 ist er Priester an der Erlöserkirche (Kopenhagen) [1] (http://www.vorfrelserskirke.dk/frontpage.htm). Dies wird als eine für Grundtvig schwierige Zeit geschildert. Gelichwohl entwickelte er seinen kirchlichen Standpunkt weiter. Er legte großen Wert auf das Glaubensbekenntnis, die Sakramente und die altkirchliche Tradition, also das Dogma. Die Erlöserkirche trägt heute neben dem Beinamen Königskirche auch den Beinamen Grundtvigskirche.
1826: In seinem Pamphlet Kirkens Genmåle (Erwiderung der Kirche) antwortet er dem rationalistischen Theologieprofessor Henrik Clausen auf dessen umfangreiches Buch Verfassung, Lehre und Ritus des Katholizismus und Protestantismus (1825). Grundtvig wird von Clausen wegen Beleidigung angezeigt und verzichtet 1826 auf sein Pfarramt. Trotzdem wird er am 30. Oktober zu einer Geldstrafe verurteilt und unter lebenslange Zensur gestellt. Diese wird 1837 allerdings wieder aufgehoben. Voller Glück hierüber verfasste er Moders navn er en himmelsk lyd - Mutters Name ist ein himmlischer Laut.
Bereits 1832 erhält er von der Regierung die Erlaubnis, in der Kopenhagener Christianskirche zu predigen. Seine Anhängerschafft wächst unermüdlich weiter. Dieses Jahr markiert seine Hinwendung zur Aufklärung. Sein Grundproblem war nach Auffassung seines Biografen Kaj Thaning (1963) die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Christenleben und dem Menschenleben. Dies manifestiert sich fortan in Grundtvigs Grundsatz: Menneske først og kristen så – Zuerst Mensch und dann Christ. Er interessiert sich immer mehr für den Humanismus. Thanning beschreibt 1832 als den wichtigsten Wendepunkt in Grundtvigs Leben. Anders als andere Biographen, welche 1810 (mentale Krise) und 1825 (Auseinandersetzung mit Professor Clausen) nennen.
1837 erscheint sein Sang-Værk til den danske Kirke, sein Liederbuch für die dänische Kirche. Es umfasst 400 der insgesamt 1.500 Grundtvig-Psalme. Sang-Værk (wörtlich: Liedwerk) bedeutete bis dahin in der dänischen Sprache eigentlich Glockenspiel, wie man es in Kirchtürmen findet.
Am 9. Juni 1839 bekommt er das Pfarramt am Kopenhagener Vartovhospital. Er gilt nach dem Eklat von 1826 wieder als rehabilitiert. Zu seiner großen Gemeinde dort zählt unter anderem Königin Caroline Amalie. Seine Psalmensamlung Festsalmer wird das eigene Gesangsbuch der Gemeinde. Von hier nimmt der Grundtvigianismus seinen Ausgang und verändert das gesamte geistliche Leben Dänemarks. Heute befindet sich hier die Grundtvig Bibliothek.
1860 erscheint das lange Gedicht Christenhedens Syvstjerne, das Siebengestirn der Christenheit in Anlehnung an die sieben Kirchen in der Offenbarung des Johannes. In dem Gedicht kommen sechs große Kirchen vor: die jüdische, die griechische, die römische, die englische, die deutsche und die nordische. Welches die siebte sein soll, blieb sein Geheimnis.
1861, 50 Jahre nach seiner Ordination, wird N.F.S. Grundtvig vom König zum Bischof ernannt. Als Bischof von Seeland ist er nominell Primas der dänischen Kirche. Bis zu seinem Tode 1872 predigt er jeden Sonntag in Vartov [2] (http://www.vartov.dk).

Der Nationaldichter
N.F.S. Grundtvig, der Dichter (1820)Nach dem Tod des Vaters 1813 und seinem Gang nach Kopenhagen, lässt sich N.F.S. Grundtvig dort in der Straße Løngangsstræde nieder. Dieser Ort bezeichnet seine schriftstellerische Phase bis 1821. Nachdem man ihm seinen Wunsch, eine eigene Pfarrei zu bekommen, ausgeschlagen hat, wollte er stattdessen Dichter werden – und das mit bis heute andauerndem Erfolg bei seinen Lesern.

Bruch mit der Romantik
Er spezialisiert sich in (Älterer) Skandinavistik und Anglistik. Gleichzeitig bricht er mit der damals vorherrschenden Stilrichtung der Romantik. Er selber nennt diese Zeit rückblickend seine Bücherwurmzeit.
In seiner Zeitschrift Danne-Virke 1816-1819 erscheinen zahreiche Gedichte, neben philosophischen und theologischen Essays.
1818-1822 übersetzt und veröffentlicht Grundtvig Saxo og Snorre, 1820 Beowulf.
1824 erscheint sein größtes poetisches Einzelwerk, Nyaars-Morgen (Neujahrs-Morgen). Hierbei handelt es sich um ein großes autobiografisches, prophetisches Gedicht, welches in 10 Liedern seine persönliche Entwicklung und seine große Hoffnung in die Zukunft Skandinaviens ausdrückt. Die Bildersprache des Werkes lehnt sich an die Jahres- und Tageszeiten an, dem Gegensatz zwischen Licht und Dunkelheit, Wärme und Kälte, Leben und Tod. Nyaars Morgen erfreut sich bis heute ungebrochener Popularität in Dänemark.
Sein Interesse für die alte angelsächsische Sprache und Literatur führt ihn 1829, 1830, 1831 und 1843 nach England. König Frederik VI. setzt sich persönlich dafür ein, dass er die nötigen finanziellen Mittel hierfür erhält. England erweckt Grundtvigs großes Streben nach Freiheit, welches für seine weitere Entwicklung prägend sein wird.
Sein unabhängiger Geist manifestiert sich 1832 in seiner Mythologie des Nordens (bereits 1808 erschien ein ähnlich benanntes Werk von ihm, damals noch national-romantisch geprägt).
In Dänemark berühmt sind folgende Zeilen aus der Feder N.F.S. Grundtvig:
Til et folk de alle høre,
som sig regne selv dertil,
har for modermålet øre,
har for fædrelandet ild
Aus dem Gedicht »Folkeligheden«, 1848. Zu deutsch etwa:
Zu einem Volk all die gehören,
die sich selber dazu zählen,
auf ihre Muttersprache hören,
für sich das Vaterland erwählen
Besonders die ersten beiden Zeilen werden gerne zitiert und gehören mit zum Selbstverständnis des dänischen Volkes.
Grundtvigs Bemühungen um die nordische Philologie führten auch zu einer engen Freundschaft mit dem färöischen Linguisten V. U. Hammershaimb, der die neufäröische Schriftsprache entwickelte. Grundtvigs Einfluss wird hier als prägend angesehen. Er stand bis zu seinem Tod 1883 mit Hammershaimb in ständigem Briefkontakt. Grundtvigs Sohn Svend führte das Werk seines Vaters fort und wurde bedeutender Herausgeber altfäröischer Sprachdenkmäler (v.a. Balladen).

Der Historiker
1812, 1814 und 1817 erscheint von N.F.S. Grundtvig das Werk Udsigt over Verdens-Krøniken, seine Weltgeschichte, wo er seine drei Schwerpunktgebiete Geschichtswissenschaft, Dichtkunst und Theologie in einem umfangreichen Werk zusammenfasst und dort die Zusammenhänge der drei Disziplinen untereinander beschreibt.
1832 erscheint das monumentale Werk Mythologie des Nordens, der volle dänische Titel lautet: Nordens Mythologi eller Sindbilled-Sprog - Historisk-Poetisk udviklet og oplyst af N. F. S. Grundtvig. Er schafft eine Kombination von Poesie und Geschichtswissenschaft, welche nach Auffassung seiner Leser wesentlich spannender zu lesen ist, als alle vergleichbaren historischen Werke dieser Zeit.
1838 macht Grundtvig durch seine historischen Vorträge von sich reden. Hierbei handelte es sich um eine Vorlesungsreihe über die Geschichte Europas. Hier begründete er seine Gewohnheit, einen Vortrag mit dem Singen eines seiner Psalme zu beginnen: Seine Zuhörer stimmten selber spontan den Psalm Kommer hid, I piger smaa – Kommet her, ihr kleinen Mädchen an. Diese Tradtion wird bis heute an den dänischen Volkshochschulen gepflegt.

Der Volkspädagoge
International bekannt sind die Schulen, welche Grundtvig begründet hat. Das sind nichtstaatliche Volkshochschulen in Dänemark, die so genannten folkehøjskoler. 1844 eröffnete die erste Volkshochschule der Welt: Rødding højskole in Sønderjylland (Südjütland). 1851 folgt die Ryslinge Højskole auf der Insel Fünen, 1856 die Marielyst højskole in Hillerød (heute Grundtvigs Højskole [3] (http://www.grundtvigs.dk)) und 1865 die Askov Højskole [4] (http://www.askov-hojskole.dk/Index.asp) in Vejen.
Die Grundidee von Grundtvig war, eine Alternative zum staatlichen Erziehungssystem zu schaffen. 1849 und 1855 erkämpfte er in Dänemark die Schulfreiheit. Seitdem gibt es dort keine Schulpflicht mehr.
Sein pädagogisches Konzept war das lebendige Wort zwischen Lehrer und Schüler. In Grundtvig-Schulen gibt es keine Noten. Nicht die Lehrer dozieren monologartig einen Stoff, sondern sie lernen selber durch die Fragen der Schüler. All das unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung. Grundtvig wollte die Schule des Lebens, was auch bedeutet: lebenslanges Lernen für alle Beteiligten.
Dieses System ist verwandt mit dem später entwickelten Konzept der Waldorfpädagogik von Rudolf Steiner, und den Projekten von Célesitin Freinet, Paulo Freire und Ivan Illich. Es wird auch als experimentelle Erziehung verstanden.
Die Theorie der Grundtvig-Schule ist in keinem kompakten Kanon (in dem Artikel zur Begriffserklärung des Kanon die Bedeutungen 3. und 4.) niedergeschrieben. Vielmehr wird sie in erster Linie mündlich und vor allem durch die Praxis überliefert.
N.F.S. Grundtvig hat durch sein pädagogisches Werk auch das staatliche Schulsystem Dänemarks nachhaltig beeinflusst. Konkurrenz und Schulnoten spielen dort eine untergeordnete Rolle. Das dänische Schulsystem gilt als besonders liberal und vorbildlich, so dass zum Beispiel die vom dänischen Staat betriebenen Schulen in Südschleswig inzwischen mehr von Kindern deutschsprachiger Eltern, als von Kindern der dänischen Minderheit besucht werden.

Der Politiker
Im 19. Jahrhundert war N.F.S. Grundtvig ein wichtiger dänischer Politiker. Zunächst ein überzeugter Monarchist und gegen den Liberalismus der deutschfreundlichen dänischen Bourgeoisie eingestellt, nimmt er dennoch an der bürgerlichen Revolution von 1848 teil. Er wird in der Folge Mitglied der dänischen Nationalversammlung, welche die erste Verfassung des Königreichs verabschiedet und so die konstitutionelle Monarchie einführt. Diese Verfassung gilt zu der Zeit als die demokratischste in Europa.
Er setzt sich als Parteiloser ebenso für Religionsfreiheit und Schulfreiheit ein, wie auch für die aufkeimende Frauenbewegung. Sein Freiheitsdrang manifestiert sich in einer äußerst liberalen Gesinnung.
Von 1850-1858 ist er Abgeordneter im dänischen Reichstag. 1866, nach dem Debakel der Düppeler Schanzen, hat er als 83jähriger ein spätes Comeback und profiliert sich als Führer der linken Opposition im Folketing.

Der Philosoph
N.F.S Grundtvig war stark vom Gedanken der Volksaufklärung beseelt. Er vertrat eine emanzipatorische Sicht, welche sich nach dem nationalen Trauma von 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg) in einer nationalen Position wiederfand, die man mit den Worten umschreiben kann: Was außerhalb verloren wurde, muss innerhalb wiedererlangt werden. Er verstand die nationale Krise Dänemarks als Chance zur nationalen Identitätsfindung.

Herausgeberschaft
Johannes Knudsen: Selected Writings Fortress, Philadelphia 1976
What Constitutes Authentic Christianity?, Fortress, Philadelphia 1985, ISBN 0800618440
Max Lawson: Selected educational writings, The International People's College, Helsingör 1991
Niels Lyhne Jensen: A Grundtvig Anthology. Selections from the Writings, James Clarke & Co., Cambridge 2000, ISBN 0227678850
[Bearbeiten]
Literatur
Kaj Thaning: N.F.S. Grundtvig, Det Danske Selskab, Kopenhagen 1972 (englisch, auch auf deutsch und französisch erschienen) ISBN 8787790440
Poul Dam: Nikolaj Frederik Severin Grundtvig (1783-1872): The preacher and revivalist, Königlich Dänisches Außenministerium, Kopenhagen 1983 (auch auf deutsch, französisch und spanisch)
Christian Thodberg & Anders PontoppidanThyssen (Hrsg.): N.F.S. Grundtvig - Tradition and Renewal. Grundtvig's Vision of Man an People, Education and Church, in Relation to World Issues Today, Det Danske Selskab, Kopenhagen 1983
Paul Röhrig (Hrsg.): Um des Menschen willen. Grundtvigs geistiges Erbe als Herausforderung für Erwachsenenbildung, Schule, Kirche und soziales Leben, Deutscher Studien-Verlag, Weinheim 1991 ISBN 3892712522
Arthur Macdonald Allchin (Hrsg.): Heritage and Prophecy: Grundtvig and the English-speaking World, Canterbury Press, Norwich 1994, ISBN 185311085X
Lilian Zøllner: Grundtvig's Educational Ideas in Japan, The Philippines and Israel, Kroghs, Vejle 1994
Arthur Macdonald Allchin: N.F.S. Grundtvig. An Introduction to his Life and Work, Århus University Press, Århus 1997, ISBN 8772886560 [5] (http://www.amazon.co.uk/exec/obidos/ASIN/8772886560/ref%3Dnosim/videodvdshop-21/026-5583008-6767627)
Lilian Zøllner: Grundtvigs skoletanker i USA, Argentinia og Chile, Kroghs, Vejle 1997 (bisher nur auf dänisch)
Jindra Kulich: Grundtvig's Educational Ideas in Central and Eastern Europe and the Baltic States in the 20th Century, Vartov, Kopenhagen 2002 ISBN 87-87389-02-9
Henning Eichberg: The People of Democracy. Understanding Self-Determination on the Basis of Body and Movement, Forlaget Klim, Århus 2004, ISBN 87-7955-292-7 (Diese Neuerscheinung baut u.a. auf den vorgenannten Werken auf, wie dem umfangreichen Literaturnachweis dort zu entnehmen ist).

Weblinks
nfs-grundvik.dk: Biografie (http://www.nfs-grundtvig.dk/biografi/tidslinie.html) (auf dänisch)
Bautz.de: Kirchenlexikon (http://www.bautz.de/bbkl/g/grundtvig_n_f_s.shtml) (deutsch)
Die beliebtesten Psalme von Grundtvig (http://www.kalliope.org/fpop.pl?fhandle=grundtvig) (auf dänisch)
Grundtvig på Nettet: Berühmte Predigten Grundtvigs (http://grundtvigsiden.homepage.dk/praedk/index.html) (auf dänisch)
EU-Aktion GRUNDTVIG (http://www.na-bibb.de/sokrates/grundtvig.php)
NFS-Grundtvig.dk - das dänische Grundtvig-Portal (http://www.nfs-grundtvig.dk) (auf dänisch)
Grundtvigakademiet.dk - Grundtvig-Akademie (http://www.grundtvigakademiet.dk) (auf dänisch)
Vartov.dk - Kirchliche Grundtvig-Gesellschaft (http://www.vartov.dk/home.shtml) (auf dänisch)
ADL.dk - sehr umfassende Bibliographie (http://www.adl.dk/adl_pub/fportraet/cv/ShowFpItem.xsql?nnoc=adl_pub&ff_id=31&p_fpkat_id=bibliog#a7.6) (auf dänisch)

Sonntag, 19. Dezember 2004

Wolfgang Klafki 1927

Wolfgang Klafki ist einer der bekanntesten deutschen Erziehungswissenschaftler der Gegenwart.
Seine Schulzeit war durch die Machtergreifung des Nationalsozialismus geprägt. Er entwickelte sich als besonders bildungsinteressierter Junge und musste in der Schlussphase des Krieges am Volkssturm teilnehmen. Als Kriegsinvalide begann er nach dem Kriege eine Volksschullehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule in Hannover und arbeitete von 1948 bis 1952 als reformpädagogisch engagierter Volksschullehrer in Lindhorst und Lüdersfeld bei Hannover.
Später studierte er in Göttingen bei Erich Weniger und in Bonn bei Theodor Litt. Er arbeitete als wissenschaftlicher Assistent in Münster und Hannover. Seit 1963 lehrte er als Universitätsprofessor an der Philipps-Universität in Marburg bis zu seiner Emeritierung.
Maßgeblicher Einfluss vor allem auf die Bildungsreformdebatte zu Beginn der 70er Jahre und auf viele weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die seine Theorien rezipierten und eigene darauf basierend entwickelten, u.a. auf Martin Wagenschein (Physikdidaktik) und einen großen Kreis an Doktorandinnen und Doktoranden (weit über 60), die in unterschiedlichen praktischen pädagogischen Arbeitsfeldern und Disziplinen der Erziehungswissenschaft wirken. Obgleich Klafki selber keine Schule gründen will, schafft er durch die alljährlichen Winterberger Treffen seiner ehemaligen Doktorandinnen und Doktoranden einen Diskursrahmen für seine vielfältigen konzeptionellen Ansätze. Klafki zeichnet sich persönlich durch hohe Gradlinigkeit, Verständnisoffenheit, pädagogisch reformerisches Engagement und Differenziertheit im Denken aus.
Gemeinsam mit Wolfgang Kramp (1927-1983) hat er die bildungstheoretische Didaktik maßgeblich geprägt. Klafki leitete ab 1972 das Marburger Grundschulprojekt, in dem innovative Grundschulkonzepte und komplexe Unterrichtsprojekte für den Sachunterricht entwickelt wurden.

Beiträge zur Didaktik
Klafkis Beitrag zur Didaktik ist trotz unterschiedlicher Strömungen und Ansätze nach wie vor von großer Bedeutung.
Kategoriale Bildung
Klafki hat den Begriff "kategoriale Bildung" geprägt, der den Widerspruch von formalen und materialen Bildungstheorien aufheben soll. Die Bildungstheorie der 60er Jahre wird zur "kritisch-konstruktiven Erziehungswissenschaft", indem sie in Auseinandersetzung mit der kritischen Theorie erweitert wird
um einen expliziten Gesellschaftsbezug und
durch die methodologische Einbeziehung von Empirie und Ideologiekritik neben der klassischen Hermeneutik.
Neubestimmung von Allgemeinbildung
In Anknüpfung an Jan Amos Komenský (Johannes Comenius) ("omnes, omnia, omnino") und die Aufklärung ist Bildung für Klafki Allgemeinbildung in einem dreifachen Sinn:
für alle: umfasst die Forderung nach Chancengleichheit
allseitig: Ziel ist eine vielseitige Interessen- und Kompetenzentwicklung. Das führt zu einer Erweiterung des Lernbegriffs, der einerseits kognitives, soziales und emotionales Lernen einschließt und dieses nicht nur ergebnis- und produktorientiert, sondern auch prozessorientiert versteht,
der andererseits sich nicht nur auf den klassischen Bildungskanon beschränkt, sondern auch moderne Themen im Interesse von Kindern und Jugendlichen aufgreift. Unterricht soll damit die vergangene und gegenwärtige Kultur weitergeben und die zukünftige vorwegnehmen.
durch das Allgemeine: Klafki versteht didaktisch unter dem Allgemeinen "epochaltypische Schlüsselprobleme unserer kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz", die anhand der Friedensfrage, der Umweltfrage, der Frage nach gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, der Frage nach der Interkulturalität, der Frage nach neuen Medien und der Frage nach der Ich-Du-Beziehung im Unterricht behandelt werden.
Als Kompetenzmodell ist dieses Konzept in deutsche Lehrpläne eingegangen.
Besonders bekannt wurde er durch die Publikation der mehrbändigen Schriften "Funkkolleg Erziehungswissenschaft". Bedeutend für die Pädagogik ist seine Theorie der kategorialen Bildung wie auch seine bildungstheoretischen Schriften.
Sein Schaffen ist aber viel breiter, so hat er richtungweisende Schriften zur Gesamtschule und Arbeitslehre, zur Reform der Grundschule und zur Curriculumreform verfasst. Er ist weiterhin als bildungspolitischer Berater und Betreuer vieler Doktorarbeiten tätig.
Klafkis didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung hat viele Lehrergenerationen beeinflusst. In späteren Jahren fokussierte er seine bildungstheoretischen Gedanken auf die zentralen Schlüsselprobleme wie Frieden, Umwelt, Technikfolgen, Menschenrechte.
Didaktische Analyse
In der didaktischen Analyse wird Unterrichtsinhalt darauf geprüft, ob er bildungstheoretisch zu rechtfertigen ist. Diese Analyse erfolgt in fünf Dimensionen:
Exemplarische Bedeutung: Welchen größeren Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt oder erschließt der Inhalt? (Diese Dimension wendet sich gegen einen enzyklopädischen Lehrplan)
Gegenwartsbedeutung: Welche Bedeutung hat der Inhalt bereits im geistigen Leben der Kinder, welche Bedeutung sollte er darin haben?
Zukunftsbedeutung: Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder? (Vergleiche Hartmut von Hentig: Kinder "stark" machen für eine ungewisse Zukunft)
Struktur des Inhalts: Welches ist die Struktur des (durch die vorigen Fragen in die spezifisch pädagogische Sicht gerückten) Inhalts? (Das wendet sich gegen Theorie und Praxis der didaktischen Reduktion, in der die Struktur der Fachwissenschaft erhalten bleibt, nur eben altersgemäß "reduziert")
Zugänglichkeit: Welches sind die besonderen Ereignisse, Situationen, Versuche, in oder an denen die Struktur des Inhalts den Kindern interessant, fragwürdig, begreiflich, anschaulich, eben zugänglich werden kann?
Bildungstheorie
Klafkis zentrales Werk ist es, eine geisteswissenschaftlich beeinflusste und gesellschaftstheoretisch fundierte Bildungstheorie entwickelt zu haben, die sich mit dem Begriff der kategorialen Bildung von vorher entweder material oder funktional vereinseitigten Konzepten abgrenzte. Später konkretisierte er seine Bildungstheorie als ein Konzept, in dem die epochaltypischen Schlüsselprobleme von zentraler Bedeutung sind.
Wirkung und Einschätzung
Klafki hat als Bildungsreformer und Wissenschaftler nachhaltig die Bildungspolitik und Theoriebildung beeinflusst. Die didaktische Analyse hat sich zur vorherrschenden Richtschnur in der Ausbildung von Lehramtsanwärtern seit Ende der 50er Jahre herausgebildet. Bei schematischer Rezeption ist sie vielfach zu einem oberflächlichen Ritual reduziert und hat ihr kritisches Potential vielfach eingebüßt. Klafkis Konzept zielte auf größere Zusammenhänge, auf die Analyse von Bildungsplänen, den Unterricht eines ganzen Jahres, und ist nicht als Leitfaden für die Planung jeder einzelnen Stunde intendiert ("und wo kam die Zukunftsbedeutung vor ?") und sollte auch nicht als Modell der Unterrichtsplanung missverstanden werden. Seine wesentliche Leistung ist es, dem didaktischen Denken Kategorien und Kriterien für eine gesellschaftlich verantwortete Praxis bereit zu stellen.

Schriften
Wolfgang Klafki hat weit über 400 Schriften veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt worden sind.
Klafki, Wolfgang: Kritisch-konstruktive Pädagogik. Herkunft und Zukunft In: Eierdanz, Jürgen/Kremer, Armin (Hg.): Weder erwartet noch gewollt – Kritische Erziehungswissenschaft und Pädagogik in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des kalten Krieges. Baltmannsweiler 2000, 152-178
Klafki, W.: Allgemeinbildung in der Grundschule und der Bildungsauftrag des Sachunterrichts. In: Lauterbach, R. (Hg.): Brennpunkte des Sachunterrichts. Kiel 1992, 11-31
KLAFKI, WOLFGANG u.a.: Schulnahe Curriculumentwicklung und Handlungsforschung im Marburger Grundschulprojekt. Weinheim 1982
Klafki, Wolfgang, Schlüsselprobleme, epochaltypische. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Lexikon Sachunterricht. Baltmannsweiler: Schneider 1997
KLAFKI, WOLFGANG/OTTO, GUNTER/SCHULZ, WOLFGANG: Didaktik und Praxis. Weinheim 1979 (2)
KLAFKI, WOLFGANG: Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. Weinheim 1976
KLAFKI, WOLFGANG: Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung. Weinheim 1964 (4)
KLAFKI, WOLFGANG u.a.: Funkkolleg Erziehungswissenschaft, 3 Bd., Weinheim 1971
Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung. In: Die deutsche Schule 1958, H. 10, S. 450-471
KLAFKI, WOLFGANG: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim 1985
Klafki, Wolfgang: Pestalozzis „Stanser Brief“. Beltz Weinheim 1969 (7)

Weblinks
http://www2.uni-jena.de/didaktik/did_06/klafki.htm

Theodor W. Adorno 1903-1969

Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno war ein deutscher Soziologe, Philosoph, Musikwissenschaftler und Komponist.

Leben und Werk
Theodor W. Adorno war bereits als junger Musikkritiker und noch als ordinierter Soziologe vor allem ein philosophischer Kopf. Als Komponist vermochte er aus dem Schatten seines Lehrers Alban Berg nicht herauszutreten. Die Titulierung Sozialphilosoph hebt im Falle Adornos auf den gesellschaftskritischen Schwerpunkt seines Philosophierens ab, dem eine nach 1945 intellektuell führende Rolle im Frankfurter Institut für Sozialforschung entsprach.
Die vorstehende Kurzcharakteristik hat einen Beleg in folgender Selbstbeschreibung Adornos (1965 gegenüber Max Horkheimer). Danach sei er,nach Herkunft und früher Entwicklung, Künstler, Musiker, doch beseelt von einem Drang zur Rechenschaft über die Kunst und ihre Möglichkeit heute, in dem auch Objektives sich anmelden wollte, die Ahnung von der Unzulänglichkeit naiv ästhetischen Verhaltens angesichts der gesellschaftlichen Tendenz.
Siehe auch: Portal Philosophie, Frankfurter Schule, Kritische Theorie.
Frühe Frankfurter Jahre (1903-21)
Die Eltern des Einzelkinds Theodor ("Teddie") waren der Weingroßhändler Oscar Alexander Wiesengrund (1870-1946, jüdischer Abstammung, zum Protestantismus übergetreten) und die Sängerin (und Katholikin) Maria Barbara, geb. Calvelli-Adorno (1865-1952) - daher der später gewählte Hauptname Adorno ("Wiesengrund" mit "W." abgekürzt). Im Elternhaus wohnte auch deren ebenso musikalische Schwester Agathe. Vor allem am vierhändigen Klavierspiel beteiligte sich der Junge von klein auf mit Leidenschaft. Ein Übriges zum Glück der Kindheit tat die alljährliche "Sommerfrische" der Familie in Amorbach (Odenwald). Am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium wusste das Wunderkind zu glänzen: Bereits mit 17 Jahren machte er das Abitur als "bester von allen". Neben der Schule hatte er (bei Bernhard Sekles) Privatunterricht in Komposition genommen (1923 Aufführung eines eigenen Streichquartetts) und sich an vielen Samstagnachmittagen gemeinsam mit dem 14 Jahre älteren Freund Siegfried Kracauer in eine wissenssoziologische Lektüre von Kants "Kritik der reinen Vernunft" vertieft. "Nicht im leisesten übertreibe ich, wenn ich sage, dass ich dieser Lektüre mehr verdanke als meinen akademischen Lehrern." An der ebenfalls heimischen (später nach Goethe benannten) Universität (http://www.innovationsreport.de/html/profile/profil-366.html) belegte er ab 1921 Philosophie, Musikwissenschaft, Psychologie und Soziologie. Das Studium absolvierte der Frühreife zügig: Ende 1924 schloss er es mit einer Dissertation über Edmund Husserl "summa cum laude" ab. Inzwischen hatte er seine wichtigsten intellektuellen Weggefährten kennengelernt: Max Horkheimer und Walter Benjamin.
Wiener Intermezzo (1925-26)
Während der Frankfurter Studienzeit hatte Adorno sich mit zahlreichen Artikeln als Musikkritiker versucht. Hierin sah er seine künftige Profession. Dieses Ziel vor Augen, nutzte er die Beziehung zu Alban Berg, mit dessen Oper "Wozzeck" er 1924 bekannt geworden war, zu einem musikalischen "Aufbaustudium" an dessen Wirkungsstätte (ab Januar 1925). Auch zu den beiden anderen Größen der Wiener Schule nahm er Tuchfühlung auf: zu Anton von Webern und Arnold Schönberg. Vor allem Schönbergs revolutionäre Atonalität regte den 22-Jährigen zu philosophischen Betrachtungen über die "Neue Musik" an, die bei deren Protagonisten allerdings nicht verfingen. Diese Enttäuschung brachte es mit sich, dass er nach und nach seine Ambitionen in Sachen Musikkritik zugunsten einer Laufbahn als akademischer Lehrer und Sozialforscher zurückschraubte. (Von 1928 bis 1931 war er immerhin noch leitender Redakteur der Avantgarde-Zeitschrift "Anbruch".) Ohnehin war für seine Konzert- und Opernbesprechungen von früh an der philosophische Anspruch charakteristisch. - Außerdem stand die Wiener Zeit unter dem Eindruck von Karl Kraus, dessen Vorlesungen er zusammen mit Alban Berg besuchte, und von Georg Lukács, dessen "Theorie des Romans" bereits den Abiturienten begeistert hatte.
Mittlere Frankfurter Jahre (1926-33)
Zurück aus Wien, blieb Adorno zunächst ein weiterer Misserfolg nicht erspart: Eine umfangreiche philosophisch-psychologische Abhandlung, gegen die der Doktorvater Hans Cornelius und auch dessen Assistent Max Horkheimer Bedenken hatten, zog er daraufhin Anfang 1928 als Habilitationsschrift zurück. Erst drei Jahre später sollte er die (1933 dann wieder entzogene) "Venia legendi" mit dem Manuskript "Kierkegaard - Konstruktion des Ästhetischen" erhalten, das er bei Paul Tillich einreichte. Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent (Mai 1931) handelte von der "Aktualität der Philosophie"; sie galt ihm zeitlebens als programmatisch. Er stellte darin erstmals ausdrücklich den Begriff der Totalität in Frage, was auf seine berühmt gewordene -gegen Hegel gewendete- Formel "Das Ganze ist das Unwahre" (aus den "Minima Moralia") vorausdeutete. Zu seinen ersten Lehrveranstaltungen gehörte dann ein Seminar über Benjamins Abhandlung "Ursprung des deutschen Trauerspiels". 1932 war der Aufsatz "Zur gesellschaftlichen Lage der Musik" sein Beitrag zum ersten Heft der "Zeitschrift für Sozialforschung", die Horkheimer herausgab; in dessen "Institut" sollte er jedoch erst 1938 eintreten.
Pendler zwischen Berlin und Oxford (1934-37)
Seit den späten Zwanziger Jahren schon hatte Adorno während mehrerer Berlin-Aufenthalte außer zu Benjamin engeren Kontakt zu Ernst Bloch gepflegt, dessen erstes Hauptwerk "Geist der Utopie" er bereits 1921 kennengelernt hatte, und später heftig kritisierte. Noch anziehender war ihm die deutsche Hauptstadt wegen der promovierten Chemikerin Margarete ("Gretel") Karplus (1902-1993) geworden, die er 1937 in London heiraten sollte. 1934 emigrierte er nach England, um sich in Oxford nochmals zu habilitieren [und wohl vor allem um vor den Nazis aus Deutschland zu fliehen...]. Dazu kam es zwar nicht mehr, aber als Postgraduierter betrieb er erstmals ein eingehendes Studium der Philosophie Hegels. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, die Sommerferien Jahr für Jahr bei seiner Verlobten in Deutschland zu verbringen. 1936 erschien in der "Zeitschrift" einer seiner umstrittensten Arbeiten überhaupt: "Über Jazz". Es handelte sich dabei jedoch weniger um eine Auseinandersetzung mit dieser besonderen Musikrichtung als um eine erste grundsätzliche Polemik gegen die gerade aufkommende Unterhaltungs- und Kulturindustrie. Der in dieser Zeit intensive briefliche Kontakt mit dem im amerikanischen Exil lebenden Horkheimer mündete in dessen Angebot einer existenzsichernden wissenschaftlichen Tätigkeit jenseits des Atlantiks.
Emigrant in den USA (1938-49)
Nach einem ersten New-York-Besuch 1937 entschloss er sich zur Übersiedlung. In Brüssel nahm er Abschied von den Eltern, die 1939 nachkamen, und in San Remo von Walter Benjamin, der in Europa zurückblieb, mit dem der Gedankenaustausch anschließend jedoch in brieflicher Form kulminierte. Kurz nach der Ankunft in New York nahm ihn Horkheimers "Institut" als offizielles Mitglied auf. Die erste Arbeit bestand in der Leitung eines Hörfunk-Forschungsunternehmens (Radio Research Project) zusammen mit dem österreichischen Soziologen Paul Lazarsfeld. Schon bald verlagerte sich die Aufmerksamkeit jedoch auf die direkte Zusammenarbeit mit Horkheimer, die 1941 mit dem gemeinsamen Umzug nach Los Angeles zum Ausdruck kam und 1944 zur ersten Fassung der Essaysammlung "Dialektik der Aufklärung" führte, des Hauptwerks der Kritischen Theorie. Sozusagen den gleichzeitigen Holocaust vor Augen, beginnt die Schrift mit den Worten:
Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.
Ab 1945 betätigte er sich nicht mehr als Komponist. Damit entsprach er auf eigene Weise seinem so harten wie berühmten Wort: "Nach Auschwitz noch ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch." In Sachen Musik erhielt er indessen den ehrenvollen Auftrag von Thomas Mann, ihn bei seinem Roman über "das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn" ("Doktor Faustus") fachlich zu beraten. Außerdem arbeitete er in den 40er Jahren an seiner "Philosophie der neuen Musik" und zusammen mit Hanns Eisler an dessen "Komposition für den Film". Nicht unerwähnt bleiben darf schließlich die von mehreren Forschungsinstituten durchgeführte Untersuchung des -vor allem antisemitischen- Vorurteils ("Studies in Prejudice"), die unter anderem durch indirekte Fragen (F-Skala) an die Versuchspersonen deren "autoritären Charakter" aufdeckte. Adornos Beitrag bestand in "qualitativen Interpretationen".
Späte Frankfurter Jahre (1949-69)
Nach dem Krieg zögerte der von Heimweh Geplagte die Rückkehr nach Deutschland nicht allzu lange hinaus. In Frankfurt bot sich ihm dank Horkheimers Einfluss die Möglichkeit einer außerplanmäßigen Professur, die er 1949/50 wahrnahm und womit sich nach langer Unterbrechung eine akademische Laufbahn fortsetzte, die 1956/57 in der Stellung als zweifacher Ordinarius (Philosophie und Soziologie) gipfelte. Im der Universität angeschlossenen Institut wurde Adornos Führungsposition immer eindeutiger, da sich der acht Jahre ältere Horkheimer mehr und mehr zurückzog und dem Jüngeren schließlich 1958/59 das alleinige Direktorat überließ. Zu einem höheren Bekanntheitsgrad im Nachkriegsdeutschland trug zunächst die Aphorismensammlung "Minima Moralia" bei, die 1951 in dem soeben gegründeten Verlag von Peter Suhrkamp veröffentlicht wurde und die "traurige Wissenschaft" ausführte, die unter dem Eindruck der "drei Höllen: Faschismus, Stalinismus und Kulturindustrie" (Rüdiger Safranski) keine Alternative mehr zuzulassen schien: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Trotz dieses pessimistischen Befunds war das Pensum enorm, das Adorno sich auflud und zu einer herausragenden intellektuellen Gründergestalt der westdeutschen Republik werden ließ, nachdem 1953 ein letzter Versuch, ihn längerfristig an Forschungsvorhaben in den USA zu binden, gescheitert war.
Letzter Akt (1967-69)
1966 kam es gegen die Große Koalition von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer "Außerparlamentarischen Opposition (APO)", die vor allem gegen die von der neuen Regierung geplanten Notstandsgesetze zu Felde zog. Auch Adorno gehörte zu den Kritikern dieser Politik (1968 Teilnahme an Veranstaltung des Aktionskomitees "Demokratie im Notstand"). Als am 2. Juni 1967 bei einer Berliner Demonstration gegen den Schah-Besuch der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, begann sich die linksgerichtete APO zu radikalisieren, und vor allem an den Universitäten probte man den Aufstand. Es waren nicht zuletzt Schüler Adornos, die den Geist der Revolte repräsentierten und derart "praktische" Konsequenzen aus der "Kritischen Theorie" zogen. Die Köpfe der Frankfurter Schule waren jedoch bei aller Sympathie nicht bereit, den Aktivismus zu unterstützen. So wurde gerade auch Adorno zur Zielscheibe studentischer Aktionen. Umgekehrt sah er sich Vorwürfen von rechts ausgesetzt, zu den geistigen Urhebern linker Gewalt zu gehören. 1969 nahmen die Störungen im Hörsaal in einem Maße zu, dass Adorno seine Vorlesung einstellte. Als im Januar einige Studenten aufdringlich wurden und versuchten, in sein Institut einzudringen, um über die politische Situation zu diskutieren, rief er, der er sich immer gegen den Polizei- und Überwachungsstaat gestellt hatte, schlicht die Polizei, nachdem eine Studentin ihre nackten Brüste gezeigt hatte!
Über die letzten Tage des "mit dem Rücken zur Wand" Stehenden heißt es in der 2003 erschienenen Adorno-Biographie von (Stefan Müller-Doohm).
Den Zustand, in dem sich Adorno im Frühsommer 1969 befand, bezeichnete er selbst als desolat. Ohnehin schon extrem erschöpft, tat er mehr, als er verkraften konnte. Zu der üblichen "totalen Überarbeitung" kam die nicht enden wollende Qual sich im Kreise drehender Diskussionen und Auseinandersetzungen mit den radikalen Studenten, die sich ihn, die Koryphäe der Kritischen Theorie, nicht zuletzt aus Gründen der Medienwirksamkeit ausgesucht hatten. Adorno musste nicht nur Feindseligkeit und offenen Hass über sich ergehen lassen, wobei er überzeugt war, dass sie sich gegen ihn als Theoretiker richteten. Vielmehr verfolgte ihn auch der Alptraum, dass die politische Gesamtsituation von heute und morgen in Totalitarismus umschlagen könne. In seinem letzten, zunächst handschriftlich verfassten Brief, den er am 26. Juli an [Herbert] Marcuse schrieb, dessen maschinenschriftliche Fassung diesen jedoch erst am 6. August erreichte, sprach er von sich selbst als "einem schwer ramponierten Teddie".
In dieser desolaten Verfassung fuhren Adorno und seine Frau in die Schweiz, wo er bei ausgedehnten Spaziergängen stets den Ausgleich zu finden pflegte, dessen er nun mehr denn je bedurfte. Am Dienstag, dem 22. Juli, fuhr das Ehepaar in Richtung Zermatt, um im Hotel "Bristol" die Ferienwochen zu verbringen. Wenige Tage nach der Ankunft im bekannten, 1600 Meter hoch gelegenen Schweizer Urlaubsort im Kanton Wallis am Fuße des Matterhorn unternahm Adorno am 5. August mit Gretel, trotz eindringlicher Ermahnungen seines Hausarztes und Herzspezialisten Doktor Sprado, alle körperlichen Anstrengungen zu vermeiden, einen Ausflug auf einen 3000 Meter hoch gelegenen Gipfel, der mit der Seilbahn erreichbar war. Auf der Höhe setzten erstmals Herzbeschwerden ein, die ihn zur Rückkehr in den Ort zwangen. Noch am selben Tag fuhren sie dann in die talwärts gelegene, etwa 30 km entfernte Stadt Visp. Adornos Bergstiefel hatten ein Loch, das er reparieren lassen wollte. Im Schuhladen stellten sich erneut Herzbeschwerden ein. Aus diesem Grund wurde er zur Sicherheit in die Klinik der Kleinstadt gebracht. Gretel Adorno fuhr gegen Abend zurück ins Hotel. Als sie am nächsten Tag, am 6. August, ihren Mann im Krankenhaus St. Maria mit Lesestoff versorgen wollte, musste sie miterleben, wie er am Vormittag gegen 11.20 Uhr plötzlich einem Herzinfarkt erlag. Er wäre am 11. September 66 Jahre alt geworden.

Wilhelm von Humboldt 1767-1835

Wilhelm Freiherr von Humboldt war ein deutscher Gelehrter und Staatsmann und Begründer der Humboldt-Universität Berlin. Neben seiner idealistischen Bildungskonzeption steht heute vor allem sein Nachdenken über die Sprache im Mittelpunkt des Interesses. Sein jüngerer Bruder war der Naturforscher und Entdecker Alexander von Humboldt.

Leben
Wilhelm von Humboldts aus Schlesien stammender Vater war preußischer Offizier und war wegen seiner Verdienste im Siebenjährigen Krieg zum Kammerherren ernannt worden. Er heiratete 1766 Maria Elizabeth von Colomb, Witwe des Freiherren von Hollwede. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, Wilhelm und Alexander (* 1769 in Berlin).
Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand Freiherr von Humboldt wurde am 22. Juni 1767 in Potsdam geboren. 1779 starb sein Vater völlig unerwartet. Zusammen mit seinem Bruder wurde er von Privatlehrern erzogen, u. a. Joachim Heinrich Campe. Er erhielt eine Ausbildung in Naturwissenschaften, der griechischen, lateinischen und französischen Sprache und eine Einführung in die Staatswissenschaften und die Philosophie und las die Hauptschriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. In Berlin frequentierte er den Salon von Markus und Henriette Herz; durch sie wurde er mit Brendel Veit (der nachmaligen Dorothea Schlegel, der Ehefrau von Friedrich Schlegel), den Schwestern von Lengefeld (Charlotte heiratete 1790 Friedrich Schiller) und seiner späteren Frau Caroline von Dacheröden bekannt.
1787 immatrikulierten er und sein Bruder Alexander sich für ein Semester an der Universität in Frankfurt (Oder). 1788 gingen sie für drei Semester nach Göttingen. Wilhelm von Humboldt studierte dort klassische Philologie und Naturwissenschaften (bei Georg Christoph Lichtenberg), setzte er sich mit Immanuel Kant auseinander und schloss Freundschaft mit August Wilhelm Schlegel und Friedrich Heinrich Jacobi.
Im Sommer 1789 trat er gemeinsam mit seinem ehemaligen Hauslehrer Joachim Heinrich Campe eine Bildungsreise an, die sie ins Rheinland, die Schweiz und im August, drei Wochen nach dem Sturm auf die Bastille, in das revolutionäre Paris führte. Dieses unmittelbare Miterleben der Französischen Revolution als Augenzeuge ihrer Anfangsphase beeinflusste Humboldt nachhaltig und war auch der entscheidende Grundstein für seine Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“.
Im Januar 1790 trat Wilhelm von Humboldt in den preußischen Staatsdienst ein und wurde noch im selben Jahr Legationsrat und Referendar. Auf eigenen Wunsch wurde er aber schon im Mai 1791 aus dem Dienst entlassen. Im Juni heiratete er Caroline von Dacheröden, die Tochter eines preußischen Kammergerichtsrates. Die folgenden Jahre lebte er auf den Familiengütern seiner Frau in Thüringen. Dort trat er in nähere Beziehung zu Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Im Juni 1794 zog er nach Jena um. Er betätigte sich als kritischer Berater und Mitarbeiter von Goethe und Schiller. Mit seinem Bruder Alexander von Humboldt und Goethe hörte er Vorlesungen in vergleichender Anatomie.
Ab November 1797 befand sich Humboldt mit seiner Familie in Paris. Hier wollte er seine Studien fortführen, aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich verfolgen. Er unternahm von hier aus zwei längere Reisen: Von November 1799 bis April 1800 nach Spanien und im Frühjahr 1801 in das Baskenland. Entdeckung und Studium des Baskischen markierten für ihn den Durchbruch zu einer eigenen Sprachauffassung und Sprachwissenschaft, in der er eine Lebensaufgabe fand. 1802 - 1808 vertrat Humboldt Preußen beim Heiligen Stuhl in Rom. In dieser Zeit beschäftigte er sich neben dem Baskischen auch mit amerikanischen Indianersprachen und mit Übersetzungen aus dem Griechischen. Nach dem Zusammenbruch Preußens kehrte er nach Deutschland zurück und wurde im Februar 1809 Sektionschef für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern in Berlin. In seiner Amtszeit entstand ein neugegliedertes Bildungssystem, das allen Schichten mehr Chancen des Bildungserwerbs sichern sollte. Die Eröffnung der Friedrich-Wilhelm-Universität im Oktober 1810 erlebte Humboldt allerdings nicht mehr in Berlin. Nach Auseinandersetzungen verließ er sein Amt im Sommer und ging als preußischer Gesandter 1811 nach Wien. Er bewirkte maßgeblich den Beitritt Österreichs zur Koalition gegen Napoleon. An den Verhandlungen zum ersten und zweiten Pariser Friedensvertrag und auf dem Wiener Kongress (wo er sich erfolgreich für die jüdischen Bürgerrechte, aber ohne Erfolg für eine liberale Verfassung für den Deutschen Bund einsetzte) nahm er als zweiter Bevollmächtigter Preußens teil. Den Entwurf für die Bundesverfassung hatte er zusammen mit Karl August Fürst von Hardenberg und Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein 1814 entwickelt. Von 1815 bis 1819 wurde er nacheinander preußischer Bevollmächtigter auf dem Bundestag in Frankfurt am Main, Vorsitzender einer Steuerreform-Kommission und preußischer Gesandter in London. 1819 kehrte er als Minister für ständische Angelegenheiten nach Berlin zurück. Wegen seines Widerstandes gegen die Karlsbader Beschlüsse und seines Versuches, eine liberale Verfassung für Preußen durchzusetzen, wurde er Ende 1819 aller Ämter enthoben.
Im Alter erkrankte Humboldt an der Parkinson-Krankheit. Bis zu seinem Tod am 8. April 1835 widmete sich Wilhelm vom Humboldt seinen wissenschaftlichen Studien in der Ruhe des Familienbesitzes in Tegel.

Werk
Humboldt war ein Hauptvertreter des Humanismus und des Gedankens der Humanität zur Zeit des deutschen Idealismus. Vergleichbar mit Jan Amos Komenský (Johannes Comenius) sind die Grundprinzipien seiner Bildungstheorie: Universalität, Individualität und Totalität.
Mit seiner Schrift "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen" gilt er als führender Vertreter des Frühliberalismus.
Humboldts Schriften zur Sprache wurden zunächst vor allem innerhalb der Sprachwissenschaft rezipiert. Ihre volle philosophische Tragweite wurde erst im 20. Jahrhundert erkannt. Humboldts Sprachdenken ist Selbstreflexion, ein Nachdenken des sprechenden Menschen über sein Sprechen und Denken. Auch wenn er die "Erzeugung menschlicher Geisteskraft" durch die Geschichte und anhand zahlreicher Sprachen verfolgt, bleibt sein Ausgangspunkt die wirkliche individuelle Rede, der Wunsch des Subjekts, sich und anderen sich selbst und die Welt verständlich zu machen. Sprache ist nichts Sekundäres. Weder er selbst noch die Welt ist dem Menschen unabhängig von der Sprache gegeben. Sprechen heißt nicht einfach einer Regel folgen, sondern sich die Sprache (und die Welt) auf individuelle Weise aneignen und sie durch Ihren Gebrauch verändern.

Schriften
Sokrates und Platon über die Gottheit (1787-1790)
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1791)
Über den Geschlechtsunterschied (1794)
Über männliche und weibliche Form (1795)
Plan einer vergleichenden Anthropologie (1797)
Das achtzehnte Jahrhundert (1797)
Ästhetische Versuche I. - Über Goethe's Hermann und Dorothea (1799)
Latium und Hellas (1806)
Geschichte des Verfalls und Untergangs der griechischen Freistaaten (1807-1808)
Pindars "Olympische Oden" (Übersetzung aus dem Griechischen) (1816)
Aischylos' "Agamemnon" (Übersetzung aus dem Griechischen) (1816)
Über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung (1820)
Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers (1821)
Über die Entstehung der grammatischen Formen und ihren Einfluss auf die Ideenentwicklung (1822)
Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau (1824)
Bhagavad-Gitá (1826)
Über den Dualis (1827)
Über die Sprache der Südseeinseln (1828)
Über Schiller und den Gang seiner Geistesentwicklung (1830)
Rezension von Goethes Zweitem römischem Aufenthalt (1830)
Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und seinen Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1836)
Werkausgaben:
Gesammelte Schriften. Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Albert Leitzmann, Berlin 1903-1936, Nachdruck 1968
Werke in fünf Bänden. Studienausgabe, Darmstadt 2002
Einzelausgaben:
"Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts", Paderborn 1998 (mit ausführlicher Einleitung)
"Über die Sprache. Reden vor der Akademie", Tübingen 1994
"Bildung und Sprache", 5. durchges. Auflage Paderborn 1997
"Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen", Stuttgart 1986

Johann Amos Comenius 1592-1670

Comenius war ein Philosoph, Theologe und Pädagoge.

Leben
Geboren wurde Comenius als "Jan" entweder in Nivnice oder in Uherský Brod oder in Komňa in Ostmähren. Von 1608 bis 1611 studierte er am Gymnasium der Brüder-Unität in Přerov, wo er auch den Beinamen Amos annahm. Ab 1611 besuchte er das Gymnasium und die Universität Herborn, ab 1613 dann die Universität Heidelberg. An beiden schrieb er sich unter dem Namen Nivanus / Nivnicensis (d.h. von Nivnice) ein, der Name Komenský (den schon sein Vater trug) taucht erst 1623 und seine lateinische Form Comenius erst 1627 auf.
1614-1617 wirkte er als Lehrer an der Brüderschule in mährischen Přerov (Prerau). 1616 wurde er zum Priester der Brüder geweiht. 1618-1621 war er Pfarrer in Fulnek. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1621) hielt er sich versteckt und musste schließlich 1628 das Land verlassen. Er ließ sich in Lissa in Polen nieder. 1641-1642 unternahm er eine wichtige Reise nach England. 1642 ging er über die Niederlande, Deutschland und Schweden nach Preußen, wo er sich im von Schweden kontrollierten Elbing niederließ. Hier arbeitete er seit 1644 als Professor des Elbinger Gymnasiums und unternahm von hier aus mehrere Reisen nach Deutschland und Schweden. 1648 wurde er zum ersten Bischof der Brüder-Unität ernannt und kehrte dann nach Lissa zurück. In Lissa heiratete er 1649 zum dritten Mal.
1650 fuhr er dann auf Einladung der in Siebenbürgen regierenden Rákóczis (mit zahlreichen Aufenthalten in Mähren und der Slowakei) nach Sárospatak (damals in Siebenbürgen). In Sárospatak war er mit der Reformierung der fürstlichen lateinischen Schule beauftragt. Nach dem Tod des Fürsten Sigismund Rákóczi (1652) musste Comenius allerdings Siebenbürgen wieder verlassen und kehrte 1654 über die Slowakei und Schlesien nach Lissa zurück, wo er bis zur Zerstörung der Stadt durch polnische Soldaten im Jahr 1656 blieb.
Danach lebte er bis zu seinem Tode in Amsterdam. Gestorben ist er entweder am 15. November oder am 25. November, der 15. ist wahrscheinlicher (der Unterschied ergibt sich daraus, dass in der Gegend damals sowohl der gregorianische, als auch der julianische Kalender verwendet wurde). Sieben Tage später wurde er am 22. November 1670 in Naarden begraben.

Ansichten
Im Mittelpunkt seiner Pädagogik steht eine christlich humanistische Lebensgestaltung. Die drei philosophischen Grundprinzipen der Pädagogik von Comenius sind: "omnes, omnia, omnino" (lat.), d.h. "allen Menschen alle Dinge der Welt in grundlegender Weise beizubringen". Comenius glaubte an das Ideal des zwangsfreien Unterrichts was er in seinem Motto: "omnia spunte fluant, absit violentia rebus" (lat.) d.h. "Gewalt sei fern von den Dingen, alles fließe aus eigenem Antrieb", welches auf der Titelseite von "Orbis sensualium Pictus" erscheint, manifestierte. Comenius sah Pädagogik als eine rettende Kraft, welche die Menschheit durch die Ausbildung der Jugend zur Weisheit aus dem Verderbnis des 30-Jährigen Krieges wieder herausführen sollte.
Als Lernprinzipien stellte er Lernen durch Tun, Anschauen vor sprachlicher Vermittlung, Muttersprache vor Fremdsprache, Beispiel (Vorbild) vor die Worte.
In seinen didaktischen Werken forderte Comenius allgemeine Reform des Schulwesens mit einer Schulpflicht für Jungen und Mädchen mit einer einheitlichen Schulausbildung bis zum 24. Lebensjahr, Anschaulichkeit und Strukturierheit des Unterrichts, Bezug des Unterrichts zum Alltag, Anschaulichkeit im Unterricht und vieles mehr. Viele Prinzipien sind auch heute ein Bestandteil des Bildungssystems.
Comenius ist der Begründer der Didaktik. Er entwickelte die erste systematisch aufgebaute Didaktik der Neuzeit.

Werk
Seine bekanntesten Werke sind Janua Linguarum Reserata (Die geöffnete Sprachenpforte), die erstmals Sachunterricht und (lateinischen) Sprachunterricht verknüpfte und in 12 europäische und auch mehrere asiatische Sprachen übersetzt wurde, und der Orbis sensualium pictus (Die sichtbare Welt in Bildern), die illustrierte Version der Janua, der "Ahnherr aller Kinderbilderbücher". Es war nicht nur das erste illustrierte Kinderbuch, es war zugleich auch die erste Enzyklopädie für Kinder.
Sein pädagogisches Hauptwerk ist die Didactica magna (Große Unterrichtslehre), eine der wichtigsten Schriften in der Geschichte der Didaktik.
Es folgt eine fast komplette Liste seiner Werke:
Problemata miscellanea (1612) - eine philosophische Abhandlung
Grammaticae facilioris praecepta (1616) - Grammatik-Handbuch, heute verloren
Divadlo veškerenstva věcí (1616) - ein nicht vollendetes Programm für die erste tschechische Enzyklopädie
Retuňk proti Antikristu a svodům jeho (1617-18) - eine Schrift gegen den Papst
Listové do nebe (1619) - eine Kritik der sozialen Ungerechtigkeit
O poezii české (1620) - Abhandlung
Přemyšlování o dokonalosti (1622) - eine seiner verlassenen Frau gewidmete Trostschrift
Nedobytelný hrad jméno Hospodinovo (1622) - Trostschrift
Truchlivý (1622?-1651) - Trostschrift in drei Teilen
Labyrint světa a ráj srdce (1623/1631) - Trostschrift
O sirobě (1624) - Trostschrift
Pres boží (1624) - Trostschrift
Centrum securitatis čili hlubina bezpečnosti (1625) - Trostschrift
Česká didaktika (1627-1632) - seine grundlegende pädagogische Schrift
Informatorium školy materské (1630) - eine Anleitung zur Erziehung von Kindern im Kindergartenalter
Ianua linguarum reserata (1631) - sein berühmtes Lateinlehrbuch
Navržení krátké o obnově škol v království českém (1632) - ein Vorschlag zur Reform des tschechischen Schulwesens
Haggaeus redivivus (1632) - eine Kritik der sozialen Unterdrückung und der Habsburger
Pozoun milostivého léta (1632) - er drückt seine Hofffnung auf baldige Heimkehr nach dem Sieg Schwedens aus
Vestibulum (1633) -Lateinlehrbuch
Physicae synopsis (1633, Leipzig) - Physiklehrbuch
Conatuum Comenianorum praeludia (1637, Oxford) - pansophische Schrift
Prodromus pansophiae (1639, London) - pansophische Schrift
Via lucis (1642 und 1668) - seine Ansichten zur Bildung und zum Schulwesen
Pansophiae diatyposis (1643, Danzig) - pansophische Schrift
Methodus linguarum novissima (1649) - ein sehr erfolgreiches Sprachenlehrbuch
Historia persecutionum Ecclesiae Slavonicae (1647) - eine Aufforderung an europäische Protestanten den Tschechen zu helfen
Kšaft umírající matky, Jednoty bratrské (1650) - Enttäuschung wegen dem Westfalischen Frieden
Independentia aeternarum confusionum origo (1650) - eine gegen die englischen Independenten gerichtete Schrift
Schola pansophica (1651) - pansophische Schrift
Sermo secretus Nathanis ad Davidem (1651) - eine an den Fürsten Sigismund Rákóczi gerichtete Aufforderung zum Kampf gegen die Habsburger
Gentis felicitas (1659, Amsterdam) - eine Aufforderung zum Kampf gegen die Habsburger
Schola ludus (1654) - eine Dramatisierung von Ianua linguarum reserata
Panegyricus Carolo Gustavo (1655) - eine Aufforderung an den schwedischen König zu Reformen und Religionsfreiheit in Polen
Opera didactica omnia (1657) - eine Zusammenfassung seiner pädagogischen Schriften in vier Teilen; darunter auch die Didactica magna - Komensky's wichtigste pädagogische Schrift
Lux in tenebris (1657) - Übersetzung der Prophezeiungen von Kryštofer Kotter, Mikuláš Drabík und Kristina Poniatowska, die Aufforderungen zum Kampf gegen die Habsburger und gegen den Katholizismus enthalten
Orbis sensualium pictus (1658, Nürnberg) - sein berühmtes Bilderbuch für den Sprachunterricht
Kancionál (1659) - eine Sammlung religiöser Lieder
Ecclesiae Slavonicae brevis historiola (1660, Amsterdam) - eine Geschichte der "slawischen Kirche"
De rerum humanarum emendatione consultatio catholica (1662) - sein größtes Werk (auch "Konsulationen" genannt), eine philosophische Schrift in 7 Teilen (4 davon unvollendet)
Lux e tenebris (1665) - eine Erweiterung von Lux in tenebris
Clamores Eliae (1665-1670) -Sammlung von Komensky's Ideen zur Besserung der Welt
Angelus pacis (1667) - eine Aufforderung zum Frieden
Unum necessarium (1668) - eine Art Komensky's philosophisches Testament
Continuatio admonitionis fraternae (1669) - Polemik mit einem seiner Widersacher

Gegenwartsbedeutung
Comenius kann als der große Pädagoge des 17. Jahrhunderts angesehen werden.Er gab der Pädagogik eine neue Richtung. Er ist der Erste, der die Pädagogik vom Kind her entwirft. Er sieht zwar nicht die Kindheit als eigenständige Phase, das Kind hat bei ihm noch keine Gegenwart, wie später bei Rousseau oder Montessori, sondern die Kindheit ist die Vorbereitung auf das spätere Leben als Erwachsener, welches dann wiederum die Vorbereitung auf das "ewige Leben" ist. Dennoch ist Comenius einer der Ersten, der die Pädagogik methodisch, didaktisch und inhaltlich nach den unterschiedlichen Kindheitsphasen richtet, zwar noch sehr grob strukturiert, aber immerhin differenzierter, als es bis dahin Usus war. Seine Forderung nach einer grundlegenden, das Wesentliche umfassenden Allgemeinbildung für alle, nach bildungspolitischer Chancengleichheit für Mädchen, sozial Schwache und geistig Zurückgebliebene, die Prinzipien der Anschauung und der Selbstständigkeit, der Erziehung zum Gebrauch der eigenen Vernunft, seine Vorstellung einer lebensnahen freundlichen Schule und einer gewaltfreien Erziehung,sind bis zur heutigen Zeit gültig geblieben.Ebenso seine Erziehungsziele, die Erziehung des Menschen zur Menschlichkeit und die dadurch entstehende Weltverbesserung. Seine Hoffnung auf eine humane Welt, auf Fortschritt und Verbesserung des menschlichen Lebens verbinden ihn mit der Neuzeit. Neuzeitlich sind auch seine Vorstellung von der zentralen Stellung des Menschen für den Erneuerungsprozess der Welt, bei ihm allerdings noch nicht losgelöst von Gottes Handeln. Comenius ist eine Art Bindeglied zwischen der Renaissance und der Aufklärung. Einerseits noch in der theologischen Tradition stehend, anderseits die Vernunft eines jeden Menschen, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit betonend.

Weblinks
eine lateinisch - deutsch - tschechisch - ungarische Ausgabe von orbis pictus vom 1685 (http://www.main.cz/konyvtar/komensky/orbis_aa0.htm) alle 152 illustrierte Facsimilie-Seiten zum virtuellen Durchblättern
Orbis pictus (http://www.grexlat.com/biblio/comenius/)
http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~fachschaft/hausarbeiten/comenius.html
Europäisches COMENIUS/SOKRATES-Programm (http://www.kmk.org/pad/sokrates2/sokrates/fr-sokrates.htm)

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